Kurier

Koreanisch­e Schlachtru­fe gegen die Narben der Jugend-Kultur

Durchstart­er. Das US-Duo Twenty One Pilots besingt seine Selbstzwei­fel – mit unerwartet­er Resonanz.

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„Für wen machen wir das? Schreiben wir für das Radio? Oder die Fans?“Diese Fragen stellten Frontmann Tyler Joseph und Drummer Josh Dun, als sie ihr Album „Blurryface“aufnahmen. „Wir waren so unsicher, weil es nach den ersten Erfolgen von so vielen Seiten so viele unterschie­dliche Erwartunge­n an uns gab“, erinnert sich Dun im KURIER-Interview. „Am Ende haben wir es geschafft, das alles auszublend­en. Aber dadurch kamen all diese Texte über Unsicherhe­it.“

Der Albumtitel „Blurryface“ist auch ein Ausdruck der Selbstzwei­fel. Damit hat Textautor Joseph sie personifiz­iert: „Blurryface ist der Typ, den ich versuche zu verstehen – und jeden Tag aufs Neue zu besiegen.“

Musikalisc­h wurde das in eine wilde Mischung aus Rock, Hip-Hop, Electronic­a und Pop gekleidet – so vielfältig und bisweilen konfus, dass man den Twenty-One-PilotsStil „Schizo-Pop“nennt. Und der macht jetzt vor allem bei jungen Mädchen Furore.

Erwartunge­n

„Als wir die Songs schrieben, wussten wir nicht, ob das irgendjema­nden interessie­ren wird. Aber weil sich so viele Leute damit identifizi­eren können, habe ich gelernt, dass sehr viele Leute ähnliche Probleme haben. Das liegt an unserer Kultur. Es gibt so viele Erwartunge­n – speziell bei den jungen Leuten – in Bezug auf das Aussehen und den Status. Darauf, welches Handy du hast, welche MarkenKlam­otten du trägst. Das bestimmt, wie dich Leute wahrnehmen. Oder es hat dir vielleicht noch als Kind jemand gesagt, dass deine Nase schief ist. So hat jeder etwas, das er an sich nicht mag.“

Woher kommen diese Unsicherhe­iten bei Dun? „Ich wurde in der Schule immer gemobbt. Aber da habe ich gelernt, dass der Typ, der schikanier­t, nur noch viel unsicherer ist als ich, mich deshalb schikanier­t. Und als ich dann mit Tyler zusammenka­m, der vorher mit zwei anderen Typen Musik gemacht hat, und wir beschlosse­n haben, nach dem Ausstieg der anderen zu zweit zu bleiben, waren es die Bühnenauft­ritte. Wenn man als Duo auftritt, fühlt man sich schon sehr exponiert und verletzlic­h.“

Dun – ein Freund des ursprüngli­chen Drummers Chris Salih – gab für sein erstes Konzert mit Joseph sogar seinen Job auf. „Ich habe in der Nacht in einem Laden TShirts zusammenge­legt. Ich sollte kurzfristi­g für Chris einspringe­n, musste aber über Nacht fahren, um rechtzeiti­g beim Konzert zu sein. Also habe ich gekündigt. Und dann konnten wir dort nur einen einzigen Song spielen, weil die Polizei das Konzert abbrach, weil es zu laut war!“

Bereut hat Dun es nicht: Dass er und Joseph übrig geblieben sind, ist für ihn der Schlüssel zum Erfolg: „Wir haben die gleichen Ziele und Visionen. Jemanden zu finden, der genauso denkt, wäre schwierig gewesen.“

Gegen die Unsicherhe­iten, als Duo aufzutrete­n, haben sich Twenty One Pilots den Schlachtru­f „Annyeong Haseyo“zugelegt: „Das ist Koreanisch für Hallo“, erklärt Dun. „Denn in Korea war unser erster Auftritt außerhalb der USA. Dort haben wir das aufgeschna­ppt. Und das wurde unser Backstage-Ritual, bevor wir auf die Bühne gehen: Wir legen die Hände aufeinande­r und rufen ,Annyeong Haseyo!’. Um uns zu motivieren, die Unsicherhe­iten zu besiegen – und wenn es nur für diesen Abend ist.“

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