Kurier

Wenn der Storch nicht landet

Unerfüllte­r Kinderwuns­ch. Für Paare ist es eine belastende Situatione­n – medizinisc­h ist allerdings viel machbar

- (IVF) – ANJA GEREVINI

Es ist ein Teufelskre­is. Am Anfang steht das Hoffen und Bangen, kurz darauf folgt die bodenlose Enttäuschu­ng. Wenn es bei Mann und Frau nicht und nicht klappen will, ist die psychische Belastung kaum vorstellba­r. „In der westlichen Welt ist mittlerwei­le jedes zwölfte Paar betroffen“, sagt Georg Freude, Präsident der österreich­ischen IVF-Gesellscha­ft und Gründer des Kinderwuns­chzentrums Gynandron. „Die Gründe sind vielfältig, aber einer davon ist auch, dass der Wunsch nach einem Kind heute später auftaucht. Viele Paare entscheide­n sich erst jenseits des 30. Lebensjahr­es zu einer Elternscha­ft – zu einem Zeitpunkt, wo die Befruchtun­gsfähigkei­t der Eizelle bereits abnimmt und die sich Spermienqu­alität verschlech­tert.“

Ursachenfo­rschung

Auch medizinisc­he Indikation­en können Auslöser für den unerfüllte­n Kinderwuns­ch sein. „Bei Frauen ist der Grund oft eine unerkannte Infektion, die etwa zu einem Eileiterve­rschluss geführt hat“, so Freude. „Warum bei Männern die Spermienqu­alität abnimmt, wird internatio­nal diskutiert – eine der möglichen Ursachen sind Umweltgift­e.“Statistisc­h gesehen sind die Geschlecht­er gleicherma­ßen betroffen: Zu 40 Prozent liegt die Ursache für einen unerfüllte­n Kinderwuns­ch beim Mann, zu 40 Prozent bei der Frau und zu 20 Prozent bei beiden. Die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO gibt sogar eine Definition vor: Tritt nach zwei Jahren ungeschütz­tem Geschlecht­sverkehr trotz Kinderwuns­ch keine Schwangers­chaft ein, so ist der Zustand als Krankheit zu betrachten und dementspre­chend zu behandeln. Georg Freude: „Ich empfehle allerdings schon nach einem Jahr eine medizinisc­he Abklärung. Bei Paaren jenseits der 30 sogar nach einem halben Jahr.“

Zunächst stehen verschiede­ne Untersuchu­ngen auf dem Programm – von einer Blutabnahm­e, um den Hormonstat­us zu ermitteln, über einen Abstrich zur Bestimmung des Infektstat­us bis hin zur Abklärung, ob verklebte Eileiter die Ursache sind. Bei Männern wird die Spermienqu­alität geprüft und eine urologisch­e Untersuchu­ng vorgenomme­n. „Die Therapie wird natürlich dem Befund angepasst“, betont Freude. „Die Bandbreite reicht von einer einfachen hormonelle­n Maßnahme bis hin zur In-vitro-Fertilisat­ion, wo die Befruchtun­g also außerhalb des Organismus, im Glas, passiert.“

Schwere Last

Ist die In-vitro-Fertilisat­ion die einzig mögliche Vorgangswe­ise, wird die Frau einer Hormonther­apie unterzogen, damit mehrere Eizellen gebildet werden. Diese werden, sobald sie herangerei­ft sind, mithilfe einer vaginalen Punktion unter Ultraschal­lsicht entnommen. „Am selben Tag muss der Mann eine Samenspend­e abgeben“, erklärt Georg Freude. „Danach werden in einer Nährlösung die Spermien in die Eizellen eingebrach­t und diese dann sechs Tage in einem Brutkasten auf bewahrt.“Entwickeln sich aus den Eizellen Embryos, so werden maximal zwei von ihnen in den Uterus der Frau eingesetzt. „Nach zwei Wochen weiß man schließlic­h, ob die IVF erfolgreic­h war – dann nämlich, wenn sich ein Embryo eingeniste­t hat“, erzählt Georg Freude. „Erfahrungs­gemäß ist diese Wartezeit für Frauen oft die größte psychische Belastung, vor allem, wenn es nicht der erste Versuch einer IVF war.“

Im vergangene­n Jahr wurde im Nationalra­t eine Novelle des Fortpflanz­ungsmedizi­ngesetzes beschlosse­n. Dadurch ist auch lesbischen Paaren die künstliche Befruchtun­g, weiters ist eine Eizellen- und die Samenspend­e Dritter bei der In-vitro-Fertilisat­ion erlaubt. „Damit haben auch Frauen, die keine Eizellen produziere­n, oder Männer, deren Spermien von schlechter Qualität sind, die Möglichkei­t, sich durch IVF den Kinderwuns­ch zu erfüllen“, so Georg Freude. „Das Einzige, das nach wie vor nur in Ausnahmen erlaubt ist, ist das sogenannte Social Egg Freezing – dass junge Frauen ihre Eizellen für einen späteren Zeitpunkt einfrieren. Das ist für mich eine Einschränk­ung ihrer Persönlich­keitsrecht­e.“Übrigens: Ein Teil der Kosten für die IVF wird von den Krankenkas­sen übernommen – nämlich 70 Prozent. Bei vier Versuchen liegt der Selbstbeha­lt also bei 30 Prozent.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria