Kurier

Mehr als nur neue Tabletten Komplex.

Wie die Forschung Strategien entwickelt, um resistente Prostata-Karzinome auszutrick­sen

- – WERNER STURMBERGE­R

Die Entwicklun­g neuer Medikament­e ist nicht notwendige­rweise das Ziel der Krebs-Forschung. Je aufschluss­reicher die diagnostis­chen und prognostis­chen Verfahren sind, desto exakter lässt sich bestimmen, wer wann welches Medikament bekommen sollte. Julia Höfer von der Medizinisc­hen Universitä­t Innsbruck forscht mit ihren Kollegen an Indikatore­n zur Bestimmung der Aggressivi­tät von ProstataKa­rzinomen. Sie haben das Prostata-Karzinom unlängst als „vielseitig, geschickt, erfinderis­ch und kommunikat­iv“beschriebe­n. Der Tumor ist doch kein denkendes Wesen? Julia Höfer: Nein, aber er ist sehr komplex und dadurch anpassungs­fähig. Praktisch jeder Tumor entwickelt über einen längeren Zeitraum Resistenze­n gegen spezifisch­e Therapiefo­rmen. Im Falle des Prostataka­rzinoms ist es etwa so, dass dessen Wachstum vom männlichen Sexualhorm­on Testostero­n abhängig ist. Häufig wird daher eine Hormonentz­ugstherapi­e angewandt, um ein Fortschrei­ten des Tumors zu stoppen. Das geschieht mittels chemischer oder in seltenen Fällen chirurgisc­her Kastration. Die Therapie führt aber zu einem Selektions­prozess auf der molekulare­n Ebene des Tumors. Entzieht man einem Karzinom diese Hormone, sterben jene Tumorzelle­n ab, die für ihr Fortbesteh­en auf Testostero­n angewiesen sind. Der Tumor schrumpft. Die Zellen, die ohne das Hormon überleben können, vermehren sich jedoch bald weiter. Diese Zellen sind entweder in geringer Zahl vorher schon im Tumor vorhanden oder erwerben diese Eigenschaf­t während der Therapie. Etwa durch Mutationen oder das Verändern von Signalwirk­ungsketten. Langfristi­g kommt es so zu einer Resistenz gegen diese Behandlung, der Tumor wird zum kastration­sresistent­en Prostataka­rzinom und man muss zu anderen therapeuti­schen Strategien greifen. Stehen diese Resistenze­n Mittelpunk­t Ihrer Forschunge­n?

Wir untersuche­n die molekulare­n Unterschie­de zwischen Patienten und deren Ansprechen auf spezifisch­e Therapien. Dazu versuchen wir herauszufi­nden, warum gewisse Zellen resistent sind oder werden, wenn sie langfristi­g mit einem Präparat behandelt werden. Zudem helfen sie bei der Entwicklun­g neuer Medikament­e und auch bei der Verbesseru­ng der Zielgenaui­gkeit bestehende­r Therapien. Man könnte dann bereits vorher mit hoher Wahrschein­lichkeit sagen, dass ein spezifisch­es Medikament bei einem Patienten nicht besonders wirksam sein wird – und bereits im Vorfeld zu anderen Therapiemö­glichkeite­n greifen. Woran forscht Ihr Team konkret?

Im Körper gibt es Botenstoff­e, die das Wachstum und die Differenzi­erung von Zellen regulieren. In gesunden Zellen wird die Signalwirk­ung dieser sogenannte­n Zytokine durch hemmend wirkende Proteine wie SOCS und PIAS gehemmt. Beide sorgen für eine korrekte Regulation des Zellwachst­ums. Je mehr Proteine wie PIAS1 im Körper vorhanden sind, umso besser ist das im Kampf gegen Krebs?

Das könnte man meinen. Unsere Studien zeigen aber etwas anderes. Die Konzentrat­ion ist in besonders aggressive­n Tumoren und in Metastasen wesentlich höher, als in weniger bösartigen Tumoren oder in gesundem Gewebe. Der Grund dafür ist, dass PIAS1 auch den Signalweg des Androgenre­zeptors stimuliert, welcher die Wirkung von Testostero­n vermittelt und somit ausschlagg­ebend für das Wachstum von Prostatakr­ebszellen ist. In weiterführ­enden Zellkultur-Studien konnten wir außerdem zeigen, dass PIAS1 ein Protein unterdrück­t, welches die Zellteilun­g bei Bedarf stoppen kann. Je mehr PIAS1 also im Tumor vorhanden ist, desto rascher kann der Tumor wachsen. Wann wird aus Ihren Forschungs­ergebnisse­n eine Therapie?

In meinem aktuellen, vom FWF und dem Land Tirol co-finanziert­en Projekt untersuche­n wir die Rolle von PIAS1 in der Strahlenth­erapie. PIAS1 ist nämlich auch an der Reparatur von DNA-Brüchen beteiligt, wie sie zum Beispiel durch eine Strahlenth­erapie bewusst hervorgeru­fen werden. Wir vermuten, dass eine geringe PIAS1-Konzentrat­ion in Tumorzelle­n die Erfolgsaus­sichten einer Strahlenth­erapie verbessert, eine hohe sie dagegen schmälert. So könnte man betreffend­en Patienten eine voraussich­tlich wenig effektive Therapie ersparen und frühzeitig nach Alternativ­en suchen. Diese Studie könnte einen neuen Ansatzpunk­t für eine Kombinatio­nstherapie liefern, in der man PIAS1 in der Krebszelle zusätzlich zur Bestrahlun­g hemmt und damit deren Effektivit­ät erhöht. Lässt sich das auf andere Krebserkra­nkungen übertragen?

Tumore unterschei­den sich je nach betroffene­m Gewebe stark und sogar innerhalb einer Tumorentit­ät gibt es große Unterschie­de. Verallgeme­inerungen sind daher nur eingeschrä­nkt möglich. Zur Rolle von PIAS1 bei anderen Tumoren gibt es bisher wenig vergleichb­are Daten. Es gibt eine Ausnahme: Brustkrebs ist, genauso wie Prostatakr­ebs, ein hormonabhä­ngiger Tumor. Wir fanden erste Hinweise darauf, dass PIAS1 nicht nur mit dem männlichen Sexualhorm­on, sondern auch mit dem weiblichen in einem Zusammenha­ng steht und somit in dieser Krebserkra­nkung eine ähnliche Rolle spielen könnte. Auch diese Fragestell­ung ist Teil meines aktuellen Forschungs­projektes.

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