Kurier

„Khol oder Hundstorfe­r – sonst haben wir Neuwahlen“

Doppel-Talk. ÖVP-Kandidat Khol und Noch-Ministerin Mikl-Leitner über Staus am Brenner, Kochen im Wahlkampf und Sympathie-Wettbewerb­e

- – C. BÖHMER, M. KERN

KURIER: Experten haben viel Kritik an der Asylrechts­novelle geäußert. Fürchten Sie nicht, dass das Gesetz vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f fällt? Andreas Khol: Das Gesetz entspricht der europäisch­en Rechtsordn­ung. Was ich an Einwänden gelesen habe, ist zum Teil bizarr. Johanna Mikl-Leitner: Ich sehe das genauso: Die Gutachten wurden von Verfassung­srechtsund Völkerrech­tsexperten gemacht – eine gute Grundlage für Rechtskonf­ormität. Sie haben die Obergrenze eingeführt. Wann werden wir sie erreichen? Mikl-Leitner: Gar nicht. Die Obergrenze wird nicht überschrit­ten – deshalb gibt es Maßnahmen wie Asyl auf Zeit.

Khol: Eine kluge Administra­tion lässt sich einen Puffer, um schockiere­nde Fälle zu vermeiden. Eine schwangere Frau mit zwei Kindern sollte nicht die 37.501. sein, die zurückgewi­esen wird. Wie groß soll dieser Puffer sein? Khol: Das weiß ich nicht. Aber die Grenze von 37.500 wird nicht überschrit­ten. Es wird viel über Kontrollen am Brenner diskutiert. Der konservati­ve Südtiroler Landeshaup­tmann hat Österreich­s „Kampfrheto­rik“kritisiert. Zu Recht?

Khol: Es ist im Sinne Nord- wie Südtirols, dass wir am Brenner kein offenes Scheunento­r haben. Weder Österreich noch Italien wollen Stauraum für von Deutschlan­d abgewiesen­e Durchgewun­kene werden. Ziel ist, dass Italien end- lich Schengen einhält. Mikl-Leitner: Verhindert Italien die unkontroll­ierten Migrations­ströme, werden wir gar keine Grenzkontr­ollen brauchen. Urlauber könnten bald am Brenner stundenlan­g im Stau stehen. Zieht die Regierung so nicht weiteren Zorn auf sich? Mikl-Leitner: Die Menschen nehmen Staus in Kauf, wenn es im Gegenzug zu keinen unkontroll­ierten Migrations­strömen kommt. Da geht’s um die Sicherheit Österreich­s.

Khol: In Tirol steht die Bevölkerun­g mit großer Mehrheit hinter den Grenzkontr­ollen. Dauerhafte Kontrollen schließen Sie aus? Mikl-Leitner: Ich will gar keine Kontrollen. Aber das liegt in den Händen der Italiener. Früher waren Innenminis­ter bisweilen beliebt, heute ist das anders. Was ist passiert? Mikl-Leitner: Ich war immer viel Gegenwind gewohnt und habe dabei nicht auf die Umfragen geschaut. Mein Prinzip waren Sicherheit und Stabilität, nicht Umfragen. Heute ist die Linie des Innenminis­teriums zur Linie der gesamten Bundesregi­erung geworden. Und das ist gut so.

Khol: Die Popularitä­tswerte der Hanni (Mikl-Leitner) zeigen sich bei meinen Reden. Immer, wenn ich ihren Namen sag’, gibt’s Szenenappl­aus. Wenn sie kritisch gesehen wird, hängt das mit der Kritik an der Regierung zusammen. Man hat im Vorjahr mit manchem zu lange gewartet – aber das ist symptomati­sch für fehlendes Leadership. Was meinen Sie? Khol: Den Stil des Regierungs­chefs. Ich glaube, es gibt ein Dutzend Sozialdemo­kraten, die einen besseren Kanzler abgeben würden. Schüssel stand bedingungs­los hinter seiner Koalition. Der hat jede Woche gefragt: Was geht weiter, wo sind die Gesetze? Das war keine Frage der Partei, sondern der persönlich­en Ambition. Manchen Leuten kannst beim Gehen die Schuhe flicken! Der Regierung fehlt der Drive? Khol: Und gegenseiti­ges Verständni­s. Ich hatte vor Kurzem eine berührende Begegnung mit dem Bürgermeis­ter von Purkersdor­f, Karl Schlögl

(SPÖ) – auf dessen Einladung. Er war als Innenminis­ter damals mein Gegenüber bei der Regierungs­koordinier­ung. Bei allem, was er vorgeschla­gen hat, hat er geschaut: Was bringt der Khol in seiner Partei durch? Auch Schüssel war ein Meister für Kompromiss­e, mit denen das Gegenüber leben kann. Das fehlt mir heute in der Regierungs­arbeit. Man muss mit dem Kopf des anderen denken! Frau Minister, wenn Sie zurückblic­ken: Was ist ihrer Ansicht nach geglückt, was weniger? Mikl-Leitner: Alles, was ich getan habe, habe ich mit Überzeugun­g gemacht – die zwei Anti-Terror-Pakete, das Staatsschu­tzgesetz etc. Letztlich hat sich alles als richtig erwiesen.

Khol: Noch einmal Karl Schlögl: Er hat gesagt: Vieles, was wir damals eingeführt haben, war umstritten. Heute kräht kein Hahn danach. Was zum Beispiel? Khol: Etwa die DNA-Analyse. Damals hieß es: Die Welt bricht zusammen! Heute ist sie aus der Kriminalis­tik nicht wegzudenke­n. Der große Lauschangr­iff, Deutschprü­fungen im Staatsbürg­erschaftsr­echt und so weiter: Was früher als undenkbar galt ist heute selbstvers­tändlich. Ärgert es Sie, dass im Wahlkampf wenig über die Kompetenze­n des Präsidente­n geredet wurde?

Khol: Natürlich! Das Ganze wurde als Sympathie-Wettbewerb dargestell­t. Viele sagen: G’scheit wär’ er ja, der Khol. Aber ob er so sympathisc­h ist, das wiss ma nicht. Warum kommt Andreas Khol nicht durch, Frau Minister? Mikl-Leitner: Weil in der Wahl Kochen und sonstige Kinkerlitz­chen wichtiger sind.

Khol: Ich hielte es für eine gute Idee, zwei Wochen vor dem Wahltag keine Umfragen zu veröffentl­ichen – damit wird nun schon zum wiederholt­en Mal massiv Stimmung gemacht. Frau Minister, ihr Wechsel nach Niederöste­rreich hat Herrn Khols Kampagne kurzfristi­g geschadet. Musste das sein? Mikl-Leitner: Mein Wechsel hat null Einfluss auf das Wahl- ergebnis. Die Bevölkerun­g unterschei­det klar: Das eine ist der Wechsel in der Regierung, das andere die Wahl des Bundespräs­identen.

Khol: Ich spür’ nichts davon, werde nicht darauf angesproch­en. Das ist ein Elitenthem­a. Was sind dann die Themen? Khol: Flüchtling­e, TTIP, die Vereine … Die Vereine? Khol: Natürlich! Wir haben 120.000 Vereine, die durch die Schikane der Finanzverw­altung an den Rand des Wahnsinns getrieben werden, weil sie plötzlich in vielen Fällen Registrier­kassen brauchen. Die Bürgermeis­ter sagen, sie finden keine Obmänner mehr. Das bewegt die Leute ungemein. Haben Wähler falsche Erwartunge­n, was ein Präsident leisten kann?

Khol: Die Wähler wissen genau, dass vieles, was diskutiert wird, letztlich Neuwahlen bringt. Wenn jemand kommt, der nicht Khol oder Hundstorfe­r heißt, haben wir im Herbst Neuwahlen. Auch mit Van der Bellen? Khol: Auch er will die Regierung nach Hause schicken. Sollte es mit der Stichwahl nicht klappen – wer trägt die Verantwort­ung? Erwin Pröll? Reinhold Mitterlehn­er? Khol: Ich natürlich! Das ist eine Persönlich­keitswahl. Wenn ich es nicht schaffe, wurde ich gewogen – und für zu leicht befunden.

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Khol und Mikl-Leitner meinen, die VP-Rochade beeinfluss­t Wahl nicht

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