Ein Reisebüro für Operationen
Medizintourismus. Eine Österreicherin vermittelt Patienten per Webportal an Kliniken
Analysten schätzen den weltweiten Markt für Medizinund Gesundheitstourismus auf bis zu 50 Milliarden USDollar – Tendenz steigend. Die österreichische Ärztin Sophie Chung will mit ihrem Start-up Junomedical mitmischen. Auf der Webseite wird nach Behandlungen gesucht, von Schönheits-OPs über Zahnmedizin bis zu Hüftimplantaten. Ein Klick zeigt, dass ein Gesäß-Implantat im türkischen Liv Hospital 4758 Euro kostet. Will man die Behandlung buchen, wird ein Angebot von Junomedical angefordert.
Das Start-up sieht sich als Vermittler zwischen Patient und Klinik. Mit dem Patient wird der Eingriff besprochen und ein Termin fixiert. Junomedical kümmert sich um nötige Formulare und gibt Tipps zur Buchung von Flügen. Nach der Behandlung wird der Patient kontaktiert, um festzustellen, ob es Beschwerden gibt. Sollte es zu Komplikationen kommen, unterstützt Junomedical: „Mir ist es als Ärztin per- sönlich wichtig, dass wir nicht bloß als kommerzielle Webplattform gesehen werden, sondern als primärer Ansprechpartner für den Patienten“, sagt Chung.
Auf der Webseite sind derzeit 30 Kliniken aus sechs Ländern, was angesichts des Marktvolumens eine überschaubare Menge ist. „Das liegt daran, dass wir ein strenges Auswahlverfahren haben. Wir lehnen viele Kliniken ab, die nicht unseren Kriterien entsprechen.“Geachtet wird etwa auf Patientenbewertungen, Meinungen von international tätigen Ärzten, Vorfälle wie Krankenhausskandale und Verfügbarkeit von Fahrtendiensten und Dolmetschern.
Die von den Kliniken angegebenen Preise beinhalten alle Behandlungskosten, Heilmittel und Klinikaufenthalt. Die Gebühr von Junomedical ist bereits enthalten. Nicht inkludiert sind Reisekosten. Für einige Behandlungen sind keine Preise angegeben: „Die Kosten für gewisse Eingriffe sind stark vom Patienten abhängig. In diesem Fall können wir keine fixe Preisangabe im Vorhinein machen.“Wenn das passiert, sollen Interessierte den Preis bei Junomedical erfragen.
Kritik
In Österreich ist der Medizintourismus durch zwei Extreme bekannt. Zum einen sind das wohlhabende Patienten, laut Statistiken vor allem aus Russland und dem arabischen Raum, die sich hierzulande operieren lassen und Kuraufenthalte buchen. Zum anderen sind es günstige Zahnbehandlungen, die Österreicher in Ungarn vornehmen lassen. Junomedical will das „weite Spektrum“dazwischen. „Es gibt Kunden, die eine hochwertige Behandlung zum leistbaren Preis bekommen wollen, wie etwa ein Zahnimplantat um 900 statt 2000 Euro.“
Einige Mediziner stehen dem Medizintourismus kritisch gegenüber. In manchen Ländern bestehe die Gefahr, dass Kliniken internationale, gut zahlende Patienten bevorzugt behandeln. „Es wird immer schwarze Schafe in der globalen Medizin geben“, so Chung: „Aber ich denke, je mehr Erfahrung die Kliniken sammeln können, desto besser können sie den Fortschritt an die heimischen Patienten weitergeben.“Der Medizintourismus könnte sich auch negativ auf das heimische Gesundheits- wesen auswirken, dem Einnahmen entgehen. Im Fall von Österreich hat Chung keine Bedenken: „Das Gesundheitssystem in Österreich ist gut. Es geht weniger um Kosten und Qualität, sondern um die Wartezeit. Wenn man auf den Eingriff ein halbes Jahr warten müsste, aber in einem Nachbarland nur einen Monat, zeigt das, dass das Gesundheitssystem gut ausgelastet ist. Wir nehmen ihm also nichts weg.“