„Der Medienhype ist kontraproduktiv“
Interview. MA22-Chefin Karin Büchl-Krammerstätter kritisiert jene Ziesel-Fans, die den Artenschutz gefährden
Die Wiener Umweltschutzabteilung steht im Zusammenhang mit der geplanten Verbauung des ZieselAreals beim Stammersdorfer Heeresspital im Kreuzfeuer der Kritik. Bürgerinitiative und Umweltorganisationen werfen der Behörde vor, politischem Druck nachzugeben und den Weg für die Bauträger zu ebnen. Im KURIER-Interview nimmt Abteilungsleiterin Karin Büchl-Krammerstätter dazu Stellung – und erklärt, wieso falsch verstandener Artenschutz der Stadtökologie schadet. KURIER: Seit Jahren steigen Ziesel-Fans gegen die Errichtung von 950 Wohnungen beim Stammersdorfer Heeresspital auf die Barrikaden. Ökologen kritisieren aber, dass dies kontraproduktiv sei. Inwiefern? Büchl-Krammerstätter: Die Diskussion und der Medienhype verschrecken viele, die der Artenschutz und wir als Partner brauchen. Das sind in erster Linie Bauträger und Eigentümer von großen Grundstücken. Projektwerber haben oft den Eindruck, dass Artenschutz etwas verhindert. Doch dazu gibt’s ein klares Nein: Das tut er nicht – wenn man Artenschutz von vorn herein mitplant und mit uns das Gespräch sucht. Es wäre meist ganz einfach, Artenschutz und Wohnbau unter einen Hut zu bringen. Wie reagieren die Bauträger?
Viele Grundeigentümer und Bauwerber richten ihre Grundstücke von vorn herein so her, dass dort kein Lebensraum für geschützte Arten mehr existiert. Aber wir haben rund 850 geschützte Arten in Wien. Für die Stadtökologie brauchen wir unbedingt Trittstein-Biotope. Das bedeutet: Auch wenn ein Grundstück nicht für immer zur Verfügung steht, braucht es ein durchgängiges Netzwerk solcher temporärer Lebensräume, damit sich die Tierarten weiterbewe- gen können. Wenn jetzt die Botschaft kommt: ,Wenn ein einziges Tier vorkommt, dann heißt das Baustopp’, dann ist das kontraproduktiv. Dann werden Grundstücke planiert und man ist nicht mehr bereit, punkto Artenschutz mit uns zusammenzuarbeiten. Auch der freiwillige Vertragsnaturschutz leidet. An der Debatte beteiligen sich Bürger, Politiker und Umweltorganisationen. Haben die nicht verstanden, was sie damit anrichten? Da niemand davon das direkte Gespräch mit mir gesucht hat, kann ich nur Vermutungen anstellen. Ich habe alle eingeladen, um sachliche Informationsdefizite auszuräumen. Als Bürgerinitiative ist es durchaus nachvollziehbar, dass man ein Interesse dran hat, dass kein neuer Bau vor der Haustür entsteht. Teilweise ist es auch schwierig, aus den vorliegenden Informationen die richtigen herauszufiltern. Man hört immer wieder, auf dem Ziesel-Areal würden Tiere getötet; man hört, das sei eine der letzten Ziesel-Kolonien in Wien; man hört, die Zauneidechsen werde nicht berücksichtigt – das stimmt alles nicht. Kein einziges Tier wird getötet; wir haben viele Populationen mit insgesamt zirka 9500 Zieseln, und die Eidechse wurde natürlich berücksichtigt. Ich lade auch den Wiener Tierschutzverein zum Gespräch ein. Geschützte Arten dürfen an sich nicht gestört oder gar getötet werden. Bauträger können aber Ausnahmebewilligungen beantragen. Und die sind zu genehmigen, wenn der Fortbestand einer Art in Wien gesichert ist und das öffentliche Interesse überwiegt. Wer definiert dieses „öffentliche“Interesse?
Da werden Sachverständigengutachten eingeholt, die volkswirtschaftliche und andere Interessen abwiegen. Im konkreten Fall war die Entscheidung sehr leicht, weil nur mehr wenige Ziesel – weniger als zehn – betroffen sind, die nicht zu Schaden kommen und die genügend Ausweichmöglichkeiten haben. Der jeweils geltende Flächenwidmungsplan ist natürlich auch Ausdruck öffentlichen Interesses, weil er vom Gemeinderat wurde. beschlossen Kritiker unterstellen Ihnen, Sie würden dem Druck aus der SPÖ nachgeben und alles genehmigen, was sich der Wohnbau wünscht. Wie groß ist der Druck?
Ich bin als Behörde nur den Gesetzen verpflichtet und parteipolitisch unabhängig. Ich würde keinem Druck weichen – aber man macht mir auch keinen. Was mich trifft, ist, dass man nicht das direkte Gespräch mit mir sucht, sondern über Medien Kritik an uns übt. Das ist kein fairer Umgang. Umso wichtiger ist mir jetzt das persönliche Gespräch. Ich bin seit 25 Jahren im Umweltschutz tätig und bin auch schon als Wiener Umweltanwältin für eine klare Linie gestanden – unabhängig vom Druck. Die Langversion des Interviews lesen Sie auf kurier.at/chronik