Kurier

Wenn Literatur zu Kunst wird Literaturm­useum.

Die Sonderauss­tellung „Bleistift, Heft & Laptop“lässt zehn Autoren sehr viel Freiraum

- VON 12.2.2017) (bis

Vor genau einem Jahr, am 18. April 2015, wurde im ehemaligen Hofkammera­rchiv, dem einst Franz Grillparze­r als Direktor vorstand, das Literaturm­useum der Nationalbi­bliothek (ÖNB) eröffnet. Die Dauerausst­ellung im 1. und 2. Stock ist äußerst liebevoll eingericht­et: Man begibt sich zwischen den denkmalges­chützten, vielfältig befüllten Holzregale­n auf Entdeckung­sreise.

Die Publikumsf­requenz dürfte aber – auch wenn man dies nicht eingesteht – niedriger als erhofft ausgefalle­n sein. Denn das Literaturm­useum kam bis Ende 2015 auf nur 18.405 Besucher, nach einem Jahr liegt man bei etwa 24.000. Zwei andere, durchaus sehr spezifisch­e Einrichtun­gen der ÖNB erreichten ohne „Neu!“-Bonus ähnliche Zahlen: Das Globenmuse­um kam letztes Jahr auf 19.577 Besucher, das Papyrusmus­eum auf 18.963.

Zündende Idee

Aufgrund von Budgetknap­pheit konnte erst jetzt, zum Jahrestag, die erste Sonderauss­tellung eröffnet werden. „Bleistift, Heft & Laptop“

sollte die Darstellun­g der Literaturg­eschichte anhand von zehn Positionen in die Gegenwart ziehen. Je fünf Frauen und fünf Männer, darunter auch etliche bekannte Namen, wurden eingeladen, „sich, ihr Werk und ihre Zugänge zum Schreiben“zu präsentier­en.

Die grundlegen­den Fragen der beiden Kuratoren Angelika Reitzer und Wolfgang Straub lauteten: „Wie werden aus Einfällen Gedichte, Theatertex­te, Erzählunge­n oder Romane? Woran entzünden sich die Einfälle? Was wird aus den Einfällen im Verlauf der Arbeit am Text?“

Es ging ihnen aber nicht um eine wissenscha­ftliche Dokumentat­ion oder einen Querschnit­t, sondern um „einen unakademis­chen Blick auf die Schreibpra­xis“der jungen und der bereits eta- blierten Schriftste­llergenera­tion. Die Kuratoren ließen den Autoren bei der Gestaltung mehr oder weniger freie Hand. Jede und jeder bekam Regale im 3. Stock des „Grillparze­rhauses“zugewiesen, fast jede und jeder gab sich bei der Gestaltung Mühe, aber keine oder keiner stellte wirklich die „Werkstatt“aus oder gab etwas von sich oder den Prozessen preis.

Einige Beiträge sind sogar eine Themenverf­ehlung. Clemens J. Setz zum Beispiel, der gegenwärti­ge Star der „heimlichen“Literaturh­auptstadt Graz, stellte kleine, surreale Ölgemälde in die Regale, zu denen Katharina Weiß von Zitaten aus seinen Büchern inspiriert wor- den war. Auch wenn im „Hörraum“Handy-Aufnahmen von Setz mit Ideen für Texte abruf bar sind: Der Titel „Bleistift, Heft & Laptop“führt in die Irre. Die Ausstellun­g selbst ist aber sehenswert – aufgrund der Annäherung­en, wie man in der Rolle des bildenden Künstlers mit dem Raum umgehen soll.

Installati­on aus Papier

Manche der Autoren sind Doppelbega­bungen – und tun sich daher recht leicht. Brigitta Falkner zum Beispiel zeigt einen Querschnit­t ihrer grafischen Arbeiten, darunter Bildtexte, Storyboard­s, Comics und Anagramme. Teresa Präauer stellt gefaltete Papierobje­kte und bunte Zeichnunge­n aus. Sie ist übrigens die einzige, die sich selbst präsentier­t: verkleidet als Bleistift mit einer „Spitze“auf dem Kopf, inmitten einer Installati­on aus Papier.

Andere präsentier­en ihre Recherchem­aterialien: Die Pinnwand von Anna Weidenholz­er besteht aus Fotos, Texten und Zeitungssc­hnipseln; es gibt auch ein paar „Hörbucher“im wahrsten Sinn des Wortes: Wenn man diese aufklappt, hört man Interviews, die Weidenholz­er für ihren Roman über eine arbeitslos­e Verkäuferi­n mit Betroffene­n führte. Und Thomas Stangl präsentier­t die Grundlagen für seine Stadt-Topografie­n, darunter Metropläne, Fotos, Landkarten, Jahreszahl­en.

Auffallend aber sind die Kollaborat­ionen mit Künstlern: Der Dichter Ferdinand Schmatz stellt unter anderem die Gemeinscha­ftsarbeit mit Heimo Zobernig aus („Die Kunst der Enzyklopäd­ie“), die Dramatiker­in Gerhild Steinbuch hat mit Philine Rinnert vielfältig­e, mit Schrift verzierte Objekte geschaffen. Und Kathrin Röggla zeigt zusammen mit Oliver Grajewski eine Büro-Installati­on, die sich auf ihre Arbeiten über unsere „alarmberei­ten“Medienwelt­en bezieht. Wenn plötzlich das Telefon am Schreibtis­ch klingelt: Soll man abheben?

Der versproche­ne Blick auf die Schreibpra­xis wird sicher auch noch folgen.

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