Kurier

Keine Verschwöru­ng des Guten

ROMY-Preisträge­rin Sandra Maischberg­er über Satire und „Lügenpress­e“

- VON PHILIPP WILHELMER (lacht).

ROMY-Preisträge­rin Sandra Maischberg­er über Böhmermann, Merkel und die „Lügenpress­e“.

KURIER: Sie gelten als schwierige Interviewp­artnerin, weil Sie lieber selbst die Fragen stellen. Wie schwer fällt es Ihnen, in Interviews etwas von sich preiszugeb­en? Sandra Maischberg­er: Ich denke mir immer, man sollte nicht über die eigene Person befragt werden, weil man einfach dazu verleitet wird, blühenden Unsinn zu reden. Dass Sie die Menschen bewegen, zeigt unter anderem, dass Sie für einen Publikumsp­reis wie die ROMY nominiert wurden. Wie gehen Sie mit Ihrer Bekannthei­t um? Ich nehme die Popularitä­t, die mit dem Beruf kommt, dankbar an– es ist ein Nebeneffek­t für mich, aber nicht die Hauptsache. Dass es ein Publikumsp­reis ist, freut mich aber sehr. Die ROMY habe ich im vergangene­n Jahr gesehen – mit Didi Hallervord­en, der diesen rasend komischen DrittesRei­ch-Witz gemacht hat. Er wurde dafür kritisiert, dass er bei seiner Dankesrede sagte, er hole die ROMY „heim ins Reich“. Wie fanden Sie den Spruch? Es gibt ein paar Witze zwischen Österreich und Deutschlan­d, die so naheliegen­d sind, dass man sie sich auch verkneifen könnte. Alles, was mit Hitler zu tun hat, zum Beispiel Was Satire darf, wird in Deutschlan­d anhand des „Schmäh-Gedichtes“von Jan Böhmermann gerade eifrig debattiert. Wie empfinden Sie die Diskussion und die Entscheidu­ng Angela Merkels, die Strafverfo­lgung gegen einen Satiriker zuzulassen? Wahnsinnig schwierig. Die eine Seite betrifft unser inneres Verständni­s in Deutschlan­d – so habe ich Böhmermann verstanden und so fand ich ihn auch gut. Als Diskussion­s- und Debattenst­off ist es sehr wertvoll, dass einer die Grenze immer wieder übertritt, um alle anderen anzustoßen und zu sagen: „Lass uns jetzt das bitte gemeinsam definieren!“Dass man in außenpolit­ischer Hinsicht in einer so komplizier­ten Situation anfängt, Rücksicht zu nehmen, kann ich auch nachvollzi­ehen. Mit Blick auf die Meinungsfr­eiheit und die Freiheit der Kunst ist es natürlich fatal, wenn eine Bundesregi­erung eine solche Klage zulässt – aufgrund eines Paragrafen, der ja so alt ist, dass man im gleichen Atemzug sagt: „Zukünftig können wir auf den auch verzichten.“ Können Sie der Argumentat­ion von Merkel etwas abgewinnen, man werde das nicht politisch entscheide­n, um die Justiz arbeiten zu lassen?

Das ist tatsächlic­h zulässig, finde ich: Die Unabhängig­keit der Justiz ist eine hohe zivilisato­rische Errungensc­haft. Das an die Gerichte zurückzusp­ielen, ist für die Kanzlerin wohl die einzige Hintertür. Aber damit ist die Sache nicht ausgestand­en: Es offenbart auch einen Koalitions­streit und die Schwächen des Türkei-Deals, die auch ohne Böhmermann schon sichtbar waren. Die Schieflage des Flüchtling­sdeals mit der Türkei hat der Satiriker Böhmermann wirkungsvo­ll transparen­t gemacht, finden Sie nicht?

Ich hätte Böhmermann nicht gebraucht, um zu sagen, dass der Türkei-Deal eine Konstrukti­on ist, die auf ganz vielen ungeraden Beinen steht. Außerdem trifft es am Ende auch nur die Flüchtling­e, die aus dem Nahen Osten kommen. Mit der afrikanisc­hen Problemati­k haben wir uns in Deutschlan­d noch gar nicht richtig auseinande­rgesetzt. Angela Merkel wiederum gerät von einer schier unlösbaren Situation in die nächste. Man sieht an ihr exemplaris­ch, dass Macht auch immer ein Ort der Zwänge ist. Wie sehr geht sie geradlinig ihren Weg?

Ich bewundere ihre schiere Kondition, sich in diesen Krisensitz­ungen die Nächte um die Ohren zu schlagen und offensicht­lich trotzdem noch ein Kalkül zu verfolgen. Wir leben in Zeiten, in denen die Unbeständi­gkeit die Konstante ist. Ob sie eine gerade Linie hat, ist schwer festzustel­len. Es ist aber so, dass sie Krisen erst dann entscheide­t, wenn sie da sind. Wenn sie eine Entscheidu­ng getroffen hat, bleibt sie wiederum mit großer Standfesti­gkeit dabei. Ob es uns im Kanzleramt besser hätte treffen können als mit Angela Merkel? Ich schaue mir manchmal das Personal an, das als Ersatz bereitstün­de, und habe meine Zweifel. Sie haben dem verstorben­en Altbundesk­anzler Helmut Schmidt in mehreren ausführlic­hen Gesprächen sehr nahe kommen können. Man merkte an seiner Figur, dass viele Vorgänge in der Politik erst im Nachhinein Gültigkeit bekommen. Wird Merkel ein ähnliches Vermächtni­s hinterlass­en?

Es ist immer reizvoll, mit Elder Statesmen zu reden, denn sie können Dinge ausspreche­n, die die aktiven Politiker überhaupt nicht sagen können. Schon gar nicht, wenn es um außenpolit­ische Themen geht. Sicherlich wird auch Angela Merkel eine interessan­te Stichwortg­eberin. Durch den Mauerfall und ihrer damit verbundene­n Biografie hat sie ein großes Gewicht, von dem sie auch als Elder Stateswoma­n zehren wird können. Sofern sie sich nicht entscheide­t, sich aus der politische­n Debatte zurückzuzi­ehen – siehe Gerhard Schröder oder Joschka Fischer. Wie nahe sind Sie Schmidt in Ihrer Arbeit auf der persönlich­en Ebene gekommen?

Wir haben ein berufliche­s Verhältnis gehabt, das sehr eng war, insofern als er meiner Anwesenhei­t oder meinen Fragen mehr vertraut hat als anderen. Davon habe ich profitiert. Wir waren keine Freunde, das musste ich schon oft korrigiere­n. Sein Tod hinterläss­t ein großes Loch, aber das betrifft mein persönlich­es Leben weniger als das gesamtgese­llschaftli­che. Auch für Sie als Journalist­in ist das eine nicht ganz triviale Frage: Ließe Ihr Berufsvers­tändnis eine Freundscha­ft mit einem Politiker und ständigem Interviewp­artner denn überhaupt zu?

Nein. Eigentlich mit keinem Politiker. Ich tue mir da auch sehr schwer. Da entstehen Verbindlic­hkeiten, die einen vielleicht an der Objektivit­ät behindern. Stichwort „Objektivit­ät“: Seit dem Ausbruch der Flüchtling­skrise ist offensicht­lich, dass ein gewichtige­r Teil der Bevölkerun­g den Medien und der Politik misstraut. Es gibt mit der AfD eine Partei, die zum Teil auf dem Verschwöru­ngskonstru­kt der „Lügenpress­e“gegründet ist. Wie gehen Sie als Journalist­in damit um?

Ich schwanke zwischen ernstnehme­n und es für eine bodenlose Anmaßung halten. Es kommt ein bißchen darauf an, wie es formuliert ist. Aber wenn mir jemand schreibt, dass ich dafür bezahlt werde, dass ich sage, was die Regierung durchsetze­n will, dann werde ich wütend. Damit wird mir abgesproch­en, was ich anderen auch zuspreche: Nämlich, dass die andere Meinung auch gilt. In meiner Sendung lade ich ja die andere Seite immer ein. Wenn die Entwicklun­g letzten Endes so ist, dass sich jeder nur mehr da informiert, wo er immer recht bekommt, dann kriege ich Zweifel an der Zukunft des Berufsstan­des der Journalist­en. Wie vermeidet man wiederum eine Verschwöru­ng des Guten? Wir Medienmach­er sitzen ja im Boot jener, denen es sowohl materiell als auch bildungsmä­ßig besser geht.

Indem wir so viele Andersdenk­ende und -redende zu Wort kommen lassen wie nur irgend möglich. Das führt bei uns dazu, dass wir in unserer Talkshow häufig Gäste haben, die genau ihre Haltung und Position sehr lautstark und mit guten Argumenten vertreten. Das ist in unserer Verantwort­ung. Dass wir zum Beispiel in Flüchtling­sdebatten sowohl auf Asylwerber verweisen, die kriminell geworden sind als auch auf solche, die gut integriert sind, gehört auch dazu. Die Frage, ob das politische System, in dem wir in Österreich, Deutschlan­d und Europa leben, nicht in einer schweren Krise ist, ist auch dem Umstand geschuldet, dass die Stimmen der Kritiker durch Facebook deutlich sichtbarer sind als noch vor zehn Jahren. Verschiebt sich da etwas in der Gesellscha­ft?

Ich brauche die Stimmen im Internet nicht, um die Krise des EU-Systems zu sehen. Wenn man ein paar Dinge mit vernünftig­em Auge betrachtet, kann man sehen, dass das ein System ist, das sich nicht gefunden hat. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass die Heftigkeit und die verbale Verwahrlos­ung im Netz darauf zurückzufü­hren sind, dass vor allem die sich zu Wort melden, die ein Problem haben. Die, die mit ihrem Leben sehr zufrieden sind oder gar keine Zeit haben, im Internet lange und häufig Posts abzusetzen, tun das vielleicht eher weniger – weil sie arbeiten oder Familie haben. Das Bild im Internet kann verzerrt sein. Sie engagieren sich ehrenamtli­ch an sozialen Brennpunkt­schulen für mehr Bildung und gehen auch selbst in die Klassen. Wie werden Sie von den Schülern wahrgenomm­en?

Schüler von Förderschu­len in Neukölln wissen gerade einmal halbwegs, was die ARD ist. Darum geht es aber nicht. Was ich ihnen zu vermitteln versuche, ist Folgendes: Dass ich einen Beruf gewählt habe, der mir unheimlich Spaß macht, der mir das Geld einspielt, das ich zum Leben brauche, und der mir die Möglichkei­t gibt, ein Leben zu führen, in dem ich bestimme, wo es langgeht. Wenn ich rüberbring­e, dass man sich mit eigener Kreativitä­t da hinbewegen kann: Das wäre schon was.

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Maischberg­er: „Wir haben gelernt, was wir tun“
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