Krisen-Stimmung auf den Ölmärkten
Nach dem Scheitern des Plans zum Einfrieren der Ölförderung stürzt der Preis ab
Was ist los am internationalen Ölmarkt? Der Ölpreis ist seit Mitte 2014 wegen des deutlichen Überangebots um fast 70 Prozent gefallen. Die Ölförderstaaten der OPEC schaffen es – ganz im Gegensatz zu früher – nicht mehr, sich auf eine Produktionskürzung zu einigen. Jetzt ist sogar der Versuch einiger OPEC-Länder und großer Nicht-Mitgliedsstaaten wie Russland, sich auf ein Einfrieren der Förderung auf dem sehr hohen Jänner-Produktionsniveau zu verständigen, gescheitert.
Wird der Ölpreis nun weiter fallen?
Am Montag, dem Tag nach den misslungenen Gesprächen von 15 Ölförderstaaten – großteils der OPEC sowie Russlands und Kasachstans –, ist der Preis für Nordseeöl zum Handelsbeginn um sieben Prozent gefallen. Das Minus reduzierte sich im Tagesverlauf auf vier Prozent, der Preis hielt sich über 40 Dollar je Fass (159 Liter). Die Preisentwicklung ist nicht so negativ, wie manche Experten zuvor prognostiziert hatten. Hannes Loacker von Raiffeisen Research erwartet, dass der Preis bis Jahresende sogar wieder auf 50 Dollar je Fass steigt. Denn für das zweite Halbjahr sei auch eine Zunahme der Ölnachfrage vorhergesagt.
Wer trägt die Schuld am Scheitern der Verhandlungen am Sonntag?
Das ist nicht einfach zu beantworten. Kern des Problems ist jedenfalls der Konflikt zwischen Saudi-Arabien und dem Iran. Die Saudis als sunnitischer Staat wollen verhindern, dass der schiitische Iran im Nahen Osten an Einfluss gewinnt. Die beiden OPEC-Mitglieder führen im Jemen einen heftigen Stellvertreterkrieg. Schon bei der OPEC-Sitzung Anfang Dezember des Vorjahres war klar: Saudi-Arabien will mit aller Macht verhindern, dass der Iran, der nach Ende der Sanktionen viel mehr Erdöl exportieren darf, daraus zu hohe Einnahmen lukriert und wirtschaftlich erstarkt. Die OPEC hatte daher damals keine Förderlimits mehr festgelegt. Der Iran, der nicht am Treffen am Sonntag teilnahm, will seine Ölförderung auf jeden Fall ausweiten – von derzeit etwa 3,3 auf vier Millionen Fass pro Tag.
Wird Saudi-Arabien den Ölhahn weiter öffnen?
Der Wüstenstaat ist neben dem Iran das einzige OPEC-Mitglied, das die Kapazitäten hat, noch mehr Öl auf die Märkte zu pumpen. Der saudische Vertreter bei den Gesprächen in Doha am Sonntag sagte, das Land könne seine Produktion von derzeit 10,3 Millionen Fass pro Tag auf bis zu zwölf Millionen Fass erweitern. In diesem Fall würde der Ölpreis wegen des höheren Angebots tatsächlich kräftig abstürzen. Ölanalysten weltweit beobachten die Produktionsdaten der Saudis jedenfalls mit Argusaugen. Spannend wird laut Loacker auch, ob SaudiArabien die im Sommer saisonal steigende Inlandsnachfrage durch höhere Produktion ersetzt oder nicht.
Welche Rolle spielt Russland?
Die russische Wirtschaft leidet schwer unter dem Ölpreisverfall. Einnahmen aus dem Ölverkauf sind ein wesentlicher Faktor im Staatshaushalt. Die Russen hätten ein Einfrieren der Ölförderung durchaus unterstützt. Sie selbst produzieren allerdings ohnehin am Förderlimit von 10,9 Millionen Fass am Tag. Und sie haben einige alte Ölfelder, deren Output heuer sinken dürfte. Die Internationale Energieagentur (IEA), ein Lobbying-Verband der Ölimportländer, rechnet daher damit, dass Russland heuer weniger Öl fördert als 2015. Bei den Doha-Gesprächen am Sonntag zeigte der russische Vertreter Verständnis für den Iran. Der Wunsch der Saudis, dass auch der Iran an einem Einfrieren der Ölförderung teilnehmen müsse, ist aus Sicht der Russen „unverständlich“.
Ist die OPEC am Ende?
Der Streit zwischen dem Iran und Saudi-Arabien ist in der Tat ein schwer zu lösender Konflikt für das Ölkartell. Auf Seite der Saudis stehen das sunnitische Kuwait, die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar, hinter dem Iran zumindest Teile des Irak. Die OPEC-Mitglieder Nigeria und Venezuela, die fernab dieser religiösen und geopolitischen Konflikte stehen, aber dringend höhere Öleinnahmen bräuchten, können dies wiederum am besten innerhalb der OPEC erreichen. Denn allein sind sie am Ölmarkt schwach. Alle 13 OPEC-Länder zusammen decken immerhin ein gutes Drittel des Weltölverbrauchs ab. Fazit: Die OPEC ist zwar geschwächt, aber nicht komplett am Ende.
Was machen die USA?
Seit die USA mit ihrer Schieferölförderung nahezu Selbstversorger geworden ist, ist sie am Geschehen in der Ölförderregion des Nahen Ostens weniger interessiert. Der Ölpreisverfall hat zwar viele kleinere Schieferölunternehmen aus dem Markt geworfen, die Gesamtproduktion ist aber nur um eine halbe Million auf etwa neun Millionen Fass pro Tag gefallen. Und die verbleibenden Ölförderer werden stetig effizienter, sprich: Sie können auch bei tiefen Ölpreisen profitabel produzieren. Für die USWirtschaft ist billiges Öl von Vorteil.
Kann sich der Ölmarkt auch ohne Förderlimit stabilisieren?
Nur wenn Saudi-Arabien seine Produktion nicht erhöht und der Iran nicht allzu rasch sein Förderziel von vier Millionen Fass erreicht. In diesem Fall würde die steigende Nachfrage gegen Jahresende die aktuelle Überproduktion an Öl aufgesaugt haben. Die IEA erwartet heuer eine Zunahme der Ölnachfrage um 1,2 Millionen Fass pro Tag. Die Überproduktion beläuft sich aktuell in etwa auf dieser Höhe. Dann wären gegen Jahresende Angebot und Nachfrage am Ölmarkt einigermaßen im Gleichgewicht. Der Ölpreis sollte damit zumindest leicht steigen.
Warum profitiert die Wirtschaft der Ölimportländer nicht stark vom billigen Öl?
Der niedrige Ölpreis macht sich vor allem an den Tankstellen bemerkbar. Die Autofahrer zahlen deutlich weniger fürs Tanken als in früheren Jahren, auch die Transportwirtschaft profitiert. Doch insgesamt ist die Öl-Abhängigkeit der Wirtschaft viel kleiner als vor zehn oder 20 Jahren. Österreichs Wirtschaftsleistung etwa brachte der niedrigere Ölpreis laut Wirtschaftsforschungsinstitut im Vorjahr nur 0,1 Prozentpunkte an zusätzlichem Wachstum.
Brauchen die Industrieländer künftig noch viel Öl?
Die Bedeutung von Öl sinkt – aber langsam. Experten glauben, dass auch 2050 Erdöl noch mehr als 25 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs in Mitteleuropa ausmacht. Ökoenergien und alternative Antriebe drängen Öl allmählich zurück. Die Ölnachfrage der Schwellenländer wie Indien oder China wächst.