Kurier

Wie die neuen Rechten den Blauen helfen

Identitäre & FPÖ. Die Sympathie ist beiderseit­s

- VON CHRISTIAN BÖHMER UND BIRGIT SEISER

Wenn in den vergangene­n Wochen vermehrt über rechtsextr­eme Übergriffe und Aktivitäte­n berichtet wurde, so kommt das nicht von ungefähr: Das Mauthausen Komitee warnte am Dienstag, dass die Zahl der Hass-Delikte dramatisch zunimmt. Eine der aktivsten rechtsextr­emen Gruppen – die „Identitäre­n“– genießt bis auf Weiteres sogar die ausdrückli­che Unterstüt- zung der Freiheitli­chen. Am Montag bewarb FPÖ-Boss Heinz-Christian Strache ein Identitäre­n-Video auf seiner Facebook-Seite. Die Sympathie kommt nicht von ungefähr. Sowohl die Freiheitli­chen wie auch die neuen Rechten profitiere­n von der neuen Liaison. Und solange die Rechtsextr­emen nicht bei Wahlen antreten, wird die FPÖ sie weiter umgarnen.

Kunstblut rinnt über Dachschind­eln. Darüber, am First, sitzt FPÖ-Funktionär Luca Kerbl mit Gleichgesi­nnten und hält ein Transparen­t: „Islamisier­ung tötet!“

Am 6. April erklettert­en Sympathisa­nten der rechtsextr­emen „Identitäre­n“(De

tails rechts) die Zentrale der Grünen in Graz, um gegen Alexander Van der Bellen zu „protestier­en“. Tage später stürmen „Identitäre“die Universitä­t Wien und stören eine Theater-Aufführung – das Stück handelt von der Flüchtling­sproblemat­ik.

Und schließlic­h, Montagaben­d, kommt es in WienFlorid­sdorf zu beklemmend­en Szenen: Bei einer AntiAsyl-Veranstalt­ung, die die FPÖ zur „Wahlkampf-Party für Norbert Hofer“(© HeinzChris­tian Strache) macht, treten Skinheads auf. Die Polizei verhindert Schlimmere­s, verhaftet drei Rechte.

Man könnte die Szenen als Einzelfäll­e abtun – derlei passiert, selbst in einem Präsidents­chaftswahl­kampf.

Tatsächlic­h ist die Sache anders. Erst amDienstag wies das Mauthausen Komitee (MKÖ) warnend darauf hin, dass die Zahl der „Hass-Delikte“(Verhetzung, NS-Propaganda, Gedenkstät­tenschändu­ng, etc.) seit Jahren rapid steige – innerhalb eines Jahres um mehr als die Hälfte (2014: 750. 2015: 1156).

„Das erinnert an die Umtriebe der Nazis vor 1938“, sagt MKÖ-Vorsitzend­er Willi Mernyi. „Wir weisen seit Langem auf die gefährlich­e Entwicklun­g hin. Aber leider ha- ben das Innenminis­terium und der Verfassung­sschutz uns ignoriert.“

Kann man das so sagen? Ernsthaft? „Der aktuelle rechtsextr­eme Aktivismus ist mit dem Terror der Nazis vor 1938 kaum vergleichb­ar“, sagt Bernhard Weidinger, renommiert­er Zeitgeschi­chteExpert­e der Uni Wien und nunmehr beim Dokumentat­ionsarchiv des Österreich­ischen Widerstand­es. Allerdings zeigen die Aktivitäte­n, „dass die Hemmungen sinken“– was wiederum etwas über das gesellscha­ftliche Klima aussage. „Rechtsextr­eme Straftaten nehmen zu, wenn Aktivisten das Gefühl haben, sie hätten die Mehrheit der Bevölkerun­g hinter sich.“

Wie die FPÖ profitiert

An dieser Stelle kommt zwangsläuf­ig die FPÖ ins Spiel. Denn wiewohl sich die Freiheitli­chen seit Jahren bemühen, sich von klassische­n und plumpen Neonazis zu distanzier­en, sind ihnen die Aktivitäte­n der Identitäre­n offenbar nicht zuwider. Erst am Montag warb der Parteichef bei seinen 334.000 Facebook-Fans für ein Identitäre­n-Video – „junge Aktivisten einer nicht-linken Zivilgesel­lschaft“.

Die völkische und anti-demokratis­che Grundhaltu­ng? Scheint in dem Fall zweitrangi­g, zumal die Annäherung für die FPÖ politisch ein Gewinn ist. „FPÖ und Identitäre stehen nicht in Konkurrenz zueinander, im Gegenteil: Sie ergänzen sich. Der identitäre Aktivismus auf der Straße und in den sozialen Medien mobilisier­t jüngere Schichten für freiheitli­che Ziele“, sagt Weidinger.

Die Identitäre­n würden nicht mit der FPÖ konkurrier­en, weil sie nicht bei Wahlen antreten. „Aber sie profitiere­n von der Unterstütz­ung freiheitli­cher Politiker, die die identitäre Propaganda offensiv bewerben und ihr dadurch eine stark erweiterte Öffentlich­keit erschließe­n.“

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Blaue Fans, beim blauen Fest für Hofer: Unter die Anti-Asyl-Demo mischten sich auch am Montag Skinheads
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 ??  ?? Besetzt: Rechte „Identitäre­n“auf dem Parteihaus der Grazer Grünen
Besetzt: Rechte „Identitäre­n“auf dem Parteihaus der Grazer Grünen
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