Kurier

Van der Bellens schwierige­r Spagat

Hofburg-Strategie. Wie der Ex-Grünen-Chef versucht, über die Parteigren­zen hinweg zu punkten

- – PHILIPP HACKER-WALTON

Für Alexander Van der Bellen war schon zu Beginn des Wahlkampfs klar, dass er nur eine Chance hat, in die Hof burg zu kommen: Er muss weit über den Kern seiner politische­n Heimat hinaus wirken. Das scheint zu gelingen.

Die Grünen liegen in der Sonntagsfr­age konstant bei etwas mehr als zehn Prozent. Ex-Grünen-Chef Alexander Van der Bellen liegt in Umfragen für die Hof burg-Wahl seit Jahresbegi­nn ebenso konstant bei rund dem Doppelten.

Von den vier Partei-(nahen) Kandidaten, die sich um das Amt des Bundespräs­identen bewerben, wird Van der Bellen der Einzige sein, der am Wahltag nicht nur das Potenzial seiner Partei ausschöpfe­n wird können, sondern auch noch weit darüber Stimmen einsammeln wird.

Wie macht Van der Bellen das? Wie schafft er den Spagat, gleichzeit­ig grünes, rotes, schwarzes und liberales Publikum anzusprech­en?

„Es ist eine Persönlich­keitswahl, und Alexander Van der Bellen ist eine Persönlich­keit, die für Ausgewogen­heit steht“, sagt sein Kampagnenl­eiter Lothar Lockl. „Man traut ihm zu, dass er Österreich gut vertritt und in schwierige­n Zeiten das Gemeinsame über das Trennende stellt.“

Hinter dieser simplen Erklärung steckt freilich mehr.

Zuallerers­t: Gute Vorbereitu­ng. Van der Bellen hat sich im vergangene­n Sommer entschiede­n, anzutreten, und sich seither intensiv mit der Rolle des Bundespräs­identen auseinande­rgesetzt, gemeinsam mit seinem Team eine Strategie ausgetüfte­lt.

Eigener Kopf

Überspitzt könnte man sie so zusammenfa­ssen: Grüne Stammwähle­r werden ohnehin mehrheitli­ch Van der Bellen wählen – also kann er sich im Wahlkampf darauf konzentrie­ren, alle anderen anzusprech­en.

Zugutekomm­t ihm dabei, dass er schon in der Vergangenh­eit oft in großen Fragen von der Parteilini­e abwich: Van der Bellen war 1994 für den EU-Beitritt, während die Grünen mehrheit- lich dagegen waren; er verhandelt­e mit Wolfgang Schüssel über eine schwarz-grüne Koalition, obwohl wichtige Landesverb­ände dagegen wetterten; er hält – im Gegensatz zu den Grünen – Studiengeb­ühren für eine gute Idee.

Und so ist es nicht unglaubwür­dig, dass sich Van der Bellen im Wahlkampf demonstrat­iv bemüht, aus dem grünen Eck zu kommen. Die Grünen übernehmen zwar einen Großteil der Kosten für die – offiziell unabhängig­e – Kampagne. Ansonsten präsentier­t sich der Professor jedoch betont eigenständ­ig.

Es gibt keine Auftritte mit grünen Spitzenpol­itikern oder bei grünen Parteivera­nstaltunge­n.

Die Plakate unterschei­den sich optisch deutlich vom Stil der letzten Grün-Kampagnen.

Im Personenko­mitee finden sich Promis und Ex-Politiker, die für gewöhnlich schwarz oder rot zugeordnet werden – Vertreter der Grünen aber fehlen auch hier.

Und auch bei den Themen setzt Van der Bellen andere Schwerpunk­te: Als er etwa in der

ORF- Pressestun­de gefragt wurde, ob er – grüne Ikone, die er ist – nicht mehr den Klimaschut­z thematisie­ren müsste, gab er der Sache sofort einen Spin, der auch vom Wirtschaft­sbund hätte kommen können: Ja, sagte Van der Bellen, er würde sich als Bundespräs­ident für den Klimaschut­z einsetzen. Und zwar mit einer Konferenz in Wien, die den heimischen Export ankurbeln würde.

Abweichend­e Linie

Mitunter gestaltet sich der Spagat schwierig – zum Beispiel in der Flüchtling­spolitik: Fotos von Van der Bellen unter Flüchtling­shelfern, etwa am Wiener Westbahnho­f, sucht man vergebens. Er geißelte zwar die angedachte Schließung der Brenner-Grenze als „das Letzte“; gleichzeit­ig räumte er ein, weitere 90.000 Asylanträg­e – wie im Vorjahr – werde Österreich nicht schaffen. Als Grüner Parteichef hätte er sich dafür wohl wieder einen Rüffel von der Basis geholt; als Kandidat kann er so punkten.

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