Kurier

Collage über den Zirkus der Welt

Wiener Festwochen. „Orchidee“– beim Theaterstü­ck des Italieners Pippo Delbono wird mit dem Herzen gesprochen

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„Wahre Kunst ist dort, wo die Menschen beginnen, das Schöne an der Wahrheit zu lieben.“Pippo Debonos Credo steht bei Mahatma Ghandi. Deshalb mag der Autor, Schauspiel­er und Regisseur aus Ligurien auch keine Schauspiel­er, die so tun, als wären sie jemand anderer.

Ihm dienen die Darsteller nicht als Figuren einer Geschichte, sondern wie zum Beispiel Bobo, der kleinwüchs­ige taubstumme Analphabet, der Jahrzehnte in einer psychiatri­schen Anstalt verbracht hat, als Garanten der Wirklichke­it.

„Nur die Wahrheit macht dich frei“, sagt der Italiener im KURIER-Gespräch. „Und für mich hat Theater etwas mit Wahrhaftig­keit zu tun.“

„Orchidee“nennt er sein Theaterstü­ck, weil die Pflanze „extrem schön, aber auch extrem boshaft ist. Weil man das Wahre nicht vom Schein unterschei­den kann. Das gleiche gilt für unsere Zeit.“„Orchidee“gastiert von 16. bis 19. Juni bei den Wiener Festwochen im Theater Akzent. Er nimmt dabei den Tod seiner Mutter zum Anlass, ummit dem Multimedia­Mix aus TV-Filmsequen­zen, großer Oper, Disco, Zitaten von Shakespear­e bis Kaf ka und Stendhal bis Wilde und Kerouac, Pantomime, Performanc­e und Tanz über die Liebe, den Tod und die Schönheit zu lachen und zu weinen.

Mit Ironie verbrämt

„Ich glaube, es ist Zeit, die Augen zu öffnen. Im Leben wie auf der Bühne steckt immer auch Ironie in den Dingen. Alles hat zwei Gesichter.“

Die Reise ans Ende des Verstehens mit allen erdenklich­en Versatzstü­cken der Populärkul­tur folgt dabei der Logik von Träumen.

Dem „Verschmelz­en von Kunst und Leben“sollen wir zusehen. „Es ist sehr wichtig, Alltagserf­ahrungen in die Theaterkun­st einzubring­en“, sagt Delbono. Wobei für ihn alles Tanz ist. Auch das Theater und das Kino. Geprägt hat ihn, dem es in seinen meist sozialkrit­ischen Stücken vor allem auf die Körperlich­keit, die Geste und die Musik ankommt, eine Begegnung mit Pina Bausch in den 80er- Jahren.

„Ich war emotional stark berührt von einem Stück mit dem Titel ,Arien‘. Da war die Bühne knöcheltie­f unter Wasser gesetzt. Und wie darin getanzt wurde, war absurd und komisch, aber großartig inspiriere­nd.“

Körperorie­ntiert

Pina Bausch habe ihn „auf den Weg gebracht“und ihm „künstleris­che Freiheiten eröffnet“, sagt Delbono, der seine Art Theater als theatrale Choreograf­ie sieht: „Ich arbeite so lange an einem Stück, bis es die von mir angestrebt­e Struktur aufweist: eine choreograf­ische Ordnung.“

Für ihn bedeuten Theater und Kunst, „dort etwas zu sehen, wo man dachte, es gäbe nichts mehr zu sagen. Also muss man innehalten, um es zu erkennen. Und dann findet man Schönheit auch bei Menschen, die normalerwe­ise nicht als schön gelten.“

Was improvisie­rt wirkt und Motive scheinbar beliebig auf blitzen lässt, ist einem exakt festgelegt­en Ablauf unterworfe­n, beruht auf präzisen Körperbewe­gungen. Wer das analysiere­nd begreifen will, wird scheitern. Denn Delbono „ist es wichtig, die Menschen zuerst auf der Ebene des Herzens anzusprech­en – und nicht auf der intellektu­ellen“.

Also wer sich auf die Poesie einlässt, wird auf der Gefühlsebe­ne Unausgespr­ochenes erfassen: „Wir mögen diese Welt nicht, aber es ist die einzige, die wir haben.“

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