Nackt ausgesetzt im Boot ohne Ruder
Theseustempel. Ron Muecks „Man in a Boat“überrascht bis 6. September im Wiener Volksgarten
Nein, er habe nicht an einen Kommentar zur aktuellen Lage gedacht, erklärt der Kurator Jasper Sharp, der seit 2011 das Programm für moderne und zeitgenössische Kunst im Wiener KHM verantwortet. Dass die Installation von Ron Muecks Skulptur „Man in a Boat“just an einem Tag eröffnet wird, wo Berichte über eine mögliche neue Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer die Runde machen, ist ein trauriger Zufall.
Um das Ausgesetzt-Sein geht es gewiss auch in dem äußerst seltsamen Kunstwerk, in dem eine täuschend echt wirkende, jedoch nur knapp einen Meter große, nackte Männerfigur in einem Anthony D’Offay, der langjährige Galerist des öffentlichkeitsscheuen Künstlers, dem das Werk auch gehört.
Von der Altmeister-Galerie, wo mitunter ein Fährmann Charon die Toten auf seinem Boot in die Unterwelt geleitet, schipperte Muecks „Man in a Boat“in viele andere Museen, u. a. in das AndyWarhol-Museum Pittsburgh. alten Ruderboot sitzt. Grundsätzlich aber kommt das Werk, das der australische Künstler Ron Mueck 2002 schuf, ohne eine dezidierte Botschaft aus: „Mueck arbeitet sehr intensiv an der Vieldeutigkeit“, sagt Sharp.
Der Mann, der mit skeptischem Blick aus seinem Kahn starrt, ging schon an vielen Orten an Land. Geschaffen hatte ihn der Sohn deutscher Spielzeugmacher, der vor seiner Kunst-Karriere an SpeIm Wiener Theseustempel, zialeffekten für Filme wie Jim wo „Man in a Boat“nun bis 6. Hensons „Labyrinth“(1986) September bei freiem Eintritt arbeitete, während eines Arzu sehen ist, kommt das Werk beitsaufenthalt in der Natioauf außergewöhnliche Art nal Gallery in London: „Das zur Geltung: Der stille, von eispielte eine große Rolle für nem Dachfenster her erseine Vorstellungskraft“, sagt leuchtete Raum verstärkt das
Ungewisse Reise
Gefühl der Isolation, das die Figur ausstrahlt, und unterstreicht ihr zweiflerisches, nachdenkliches Wesen.
Natürlich ist allein die detaillierte Ausführung von Muecks Skulpturen spektakulär – in diesem Fall ist der Nackte durchgehend aus Silikon, jedes Haar wurde einzeln eingesetzt. Es wird aber rasch deutlich, dass die Kunstfertigkeit kein Selbstzweck ist: Der intuitive Drang, das Wunderding aus der Nähe zu betrachten, erzeugt eine seltsame Intimität mit der Figur, die aber durch ihre Verkleinerung in eine unüberbrückbare Distanz gerückt erscheint. Der Mann, der auf diesem Boot dahin- fährt, ausgesetzt und mangels Ruder nicht in der Lage, seinen Kurs zu beeinflussen, bleibt ein geistiges Sinn-Bild.
Im Theseustempel erhält die Figur aber eine hoffnungsvolle Note, denn das Boot ist so postiert, dass der Mann – der Körper leicht geneigt, der Blick skeptischneugierig – beim Eingangstor hinauszulugen scheint. Es ist also vielleicht doch ein Licht in Sicht.