Kurier

Nackt ausgesetzt im Boot ohne Ruder

Theseustem­pel. Ron Muecks „Man in a Boat“überrascht bis 6. September im Wiener Volksgarte­n

- – MICHAEL HUBER

Nein, er habe nicht an einen Kommentar zur aktuellen Lage gedacht, erklärt der Kurator Jasper Sharp, der seit 2011 das Programm für moderne und zeitgenöss­ische Kunst im Wiener KHM verantwort­et. Dass die Installati­on von Ron Muecks Skulptur „Man in a Boat“just an einem Tag eröffnet wird, wo Berichte über eine mögliche neue Flüchtling­skatastrop­he im Mittelmeer die Runde machen, ist ein trauriger Zufall.

Um das Ausgesetzt-Sein geht es gewiss auch in dem äußerst seltsamen Kunstwerk, in dem eine täuschend echt wirkende, jedoch nur knapp einen Meter große, nackte Männerfigu­r in einem Anthony D’Offay, der langjährig­e Galerist des öffentlich­keitsscheu­en Künstlers, dem das Werk auch gehört.

Von der Altmeister-Galerie, wo mitunter ein Fährmann Charon die Toten auf seinem Boot in die Unterwelt geleitet, schipperte Muecks „Man in a Boat“in viele andere Museen, u. a. in das AndyWarhol-Museum Pittsburgh. alten Ruderboot sitzt. Grundsätzl­ich aber kommt das Werk, das der australisc­he Künstler Ron Mueck 2002 schuf, ohne eine dezidierte Botschaft aus: „Mueck arbeitet sehr intensiv an der Vieldeutig­keit“, sagt Sharp.

Der Mann, der mit skeptische­m Blick aus seinem Kahn starrt, ging schon an vielen Orten an Land. Geschaffen hatte ihn der Sohn deutscher Spielzeugm­acher, der vor seiner Kunst-Karriere an SpeIm Wiener Theseustem­pel, zialeffekt­en für Filme wie Jim wo „Man in a Boat“nun bis 6. Hensons „Labyrinth“(1986) September bei freiem Eintritt arbeitete, während eines Arzu sehen ist, kommt das Werk beitsaufen­thalt in der Natioauf außergewöh­nliche Art nal Gallery in London: „Das zur Geltung: Der stille, von eispielte eine große Rolle für nem Dachfenste­r her erseine Vorstellun­gskraft“, sagt leuchtete Raum verstärkt das

Ungewisse Reise

Gefühl der Isolation, das die Figur ausstrahlt, und unterstrei­cht ihr zweifleris­ches, nachdenkli­ches Wesen.

Natürlich ist allein die detaillier­te Ausführung von Muecks Skulpturen spektakulä­r – in diesem Fall ist der Nackte durchgehen­d aus Silikon, jedes Haar wurde einzeln eingesetzt. Es wird aber rasch deutlich, dass die Kunstferti­gkeit kein Selbstzwec­k ist: Der intuitive Drang, das Wunderding aus der Nähe zu betrachten, erzeugt eine seltsame Intimität mit der Figur, die aber durch ihre Verkleiner­ung in eine unüberbrüc­kbare Distanz gerückt erscheint. Der Mann, der auf diesem Boot dahin- fährt, ausgesetzt und mangels Ruder nicht in der Lage, seinen Kurs zu beeinfluss­en, bleibt ein geistiges Sinn-Bild.

Im Theseustem­pel erhält die Figur aber eine hoffnungsv­olle Note, denn das Boot ist so postiert, dass der Mann – der Körper leicht geneigt, der Blick skeptischn­eugierig – beim Eingangsto­r hinauszulu­gen scheint. Es ist also vielleicht doch ein Licht in Sicht.

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