Der kleine Kaffeeröster ums Eck kommt wieder in Mode
Lokalkolorit. Supermärkte verschleudern Kaffee. Gleichzeitig machen kleine Betriebe einen Kult um die Bohnen – und verkaufen sie um viel Geld
Wer gut drei Tassen Kaffee am Tag trinkt, liegt genau im Österreich-Schnitt. Zumindest laut den Zahlen des Tchibo-Kaffeeberichtes, der den Österreichern einen ProKopf-Konsum von 8,4 Kilo im Jahr zuschreibt. Noch mehr Kaffee trinken nur die Finnen, der europäische Durchschnittsverbrauch liegt bei jährlich knapp fünf Kilo.
Dass die Österreicher Kaffeetrinker sind, haben auch Supermarktmanager bemerkt. Nicht zufällig setzen sie Kaffee traditionell als Lockmittel ein und bieten großzügige Rabatte für Vorratskäufe. Ein relativ neues Phänomen ist aber, dass sich parallel dazu verstärkt Spezialröstereien etablieren, die sich im Hochpreissegment positionieren. Johannes Hornig, Chef der gleichnamigen Grazer Kaffeerösterei, spricht von einem Revival der kleinen Röstereien. Ein Phänomen, das es auch in Deutschland gibt, belegen Aufzeichnungen des Deutschen Kaffeeverbandes.
Deutlich mehr Röster
Demnach haben in den 50 Jahren bis zur Jahrtausendwende zahlreiche Röster das Handtuch geworfen: In Deutschland ging die Zahl der Röstereien von 2000 auf etwa 100 zurück. In den vergangenen 16 Jahren stieg die Zahl allerdings wieder auf 600, so die Schätzungen der Branchenvertreter. Wie es dazu gekommen ist, liegt für den Stuttgarter Wirtschaftswissenschaftler Henry Schäfer auf der Hand: Es ist wieder chic, regional einzukaufen. Die Bohnen kommen zwar aus fernen Ländern – das größte Kaffee-Anbauland der Welt ist Brasilien – durch die Röstung vor Ort bekommt die Bohne aber ein Lokalkolorit. Viele Röstereien werben zudem damit, dass sie ihre Kaffeelieferanten kennen und die Anbaugebiete genau unter die Lupe genommen haben. Diesen Weg schlägt auch der Grazer Röster Hor- nig ein, der seit 2011 zu 75 Prozent dem Hamburger Großröster J. J. Darboven gehört. „Rund 10.000 Kilometer ist Johannes Hornig, Geschäftsführer der Österreichischen Rösterei J. Hornig, geflogen, um sich direkt vor Ort anzusehen, woher die Bohnen für JOHO’s Guatemala, einem der drei DirectTrade-Spezialitätenkaffees aus seinem Unternehmen, kommen“, ließ das Unternehmen kürzlich ausrichten. Der Rohkaffee werde ohne Zwischenhändler direkt beim Produzenten gekauft.
Laut Hornig ist es den Konsumenten immer wichtiger zu wissen, woher die Bohnen kommen und unter welchen Bedingungen sie geern- tet wurden. Das zeigen auch die Verkaufszahlen von Fairtrade-Kaffee, die seit Jahren steigen. In Österreich mitunter um Raten jenseits der 20Prozent-Marke.
Der Oldenburger Umweltökonom Niko Paech lässt sich von all dem nicht beeindrucken und betont, dass Kaffee trotz allem einen „signifikanten ökologischen Fußabdruck“hat. Wer wirklich nachhaltig handeln wolle, solle den Konsum einschränken, meint er. Den Hype um Spezialitäten-Kaffee hält er für modernen Hedonismus. Paech: „Es gehört zur Selbstdarstellung, sich mit einem Produkt zu schmücken, das krass anders ist.“