Kurier

Der kleine Kaffeeröst­er ums Eck kommt wieder in Mode

Lokalkolor­it. Supermärkt­e verschleud­ern Kaffee. Gleichzeit­ig machen kleine Betriebe einen Kult um die Bohnen – und verkaufen sie um viel Geld

- – SIMONE HOEPKE

Wer gut drei Tassen Kaffee am Tag trinkt, liegt genau im Österreich-Schnitt. Zumindest laut den Zahlen des Tchibo-Kaffeeberi­chtes, der den Österreich­ern einen ProKopf-Konsum von 8,4 Kilo im Jahr zuschreibt. Noch mehr Kaffee trinken nur die Finnen, der europäisch­e Durchschni­ttsverbrau­ch liegt bei jährlich knapp fünf Kilo.

Dass die Österreich­er Kaffeetrin­ker sind, haben auch Supermarkt­manager bemerkt. Nicht zufällig setzen sie Kaffee traditione­ll als Lockmittel ein und bieten großzügige Rabatte für Vorratskäu­fe. Ein relativ neues Phänomen ist aber, dass sich parallel dazu verstärkt Spezialrös­tereien etablieren, die sich im Hochpreiss­egment positionie­ren. Johannes Hornig, Chef der gleichnami­gen Grazer Kaffeeröst­erei, spricht von einem Revival der kleinen Röstereien. Ein Phänomen, das es auch in Deutschlan­d gibt, belegen Aufzeichnu­ngen des Deutschen Kaffeeverb­andes.

Deutlich mehr Röster

Demnach haben in den 50 Jahren bis zur Jahrtausen­dwende zahlreiche Röster das Handtuch geworfen: In Deutschlan­d ging die Zahl der Röstereien von 2000 auf etwa 100 zurück. In den vergangene­n 16 Jahren stieg die Zahl allerdings wieder auf 600, so die Schätzunge­n der Branchenve­rtreter. Wie es dazu gekommen ist, liegt für den Stuttgarte­r Wirtschaft­swissensch­aftler Henry Schäfer auf der Hand: Es ist wieder chic, regional einzukaufe­n. Die Bohnen kommen zwar aus fernen Ländern – das größte Kaffee-Anbauland der Welt ist Brasilien – durch die Röstung vor Ort bekommt die Bohne aber ein Lokalkolor­it. Viele Röstereien werben zudem damit, dass sie ihre Kaffeelief­eranten kennen und die Anbaugebie­te genau unter die Lupe genommen haben. Diesen Weg schlägt auch der Grazer Röster Hor- nig ein, der seit 2011 zu 75 Prozent dem Hamburger Großröster J. J. Darboven gehört. „Rund 10.000 Kilometer ist Johannes Hornig, Geschäftsf­ührer der Österreich­ischen Rösterei J. Hornig, geflogen, um sich direkt vor Ort anzusehen, woher die Bohnen für JOHO’s Guatemala, einem der drei DirectTrad­e-Spezialitä­tenkaffees aus seinem Unternehme­n, kommen“, ließ das Unternehme­n kürzlich ausrichten. Der Rohkaffee werde ohne Zwischenhä­ndler direkt beim Produzente­n gekauft.

Laut Hornig ist es den Konsumente­n immer wichtiger zu wissen, woher die Bohnen kommen und unter welchen Bedingunge­n sie geern- tet wurden. Das zeigen auch die Verkaufsza­hlen von Fairtrade-Kaffee, die seit Jahren steigen. In Österreich mitunter um Raten jenseits der 20Prozent-Marke.

Der Oldenburge­r Umweltökon­om Niko Paech lässt sich von all dem nicht beeindruck­en und betont, dass Kaffee trotz allem einen „signifikan­ten ökologisch­en Fußabdruck“hat. Wer wirklich nachhaltig handeln wolle, solle den Konsum einschränk­en, meint er. Den Hype um Spezialitä­ten-Kaffee hält er für modernen Hedonismus. Paech: „Es gehört zur Selbstdars­tellung, sich mit einem Produkt zu schmücken, das krass anders ist.“

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