Kurier

Auf den Flügeln des Erfolgs: die zehn Strategien der Profi-Piloten

„Ready for take off“. Der erfahrene Verkehrspi­lot Philip Keil modifizier­t bewährte Handlungss­trategien aus dem Cockpit für das Berufslebe­n

- – C. PUCHWEIN

Der Notfall kam sprichwört­lich aus heiterem Himmel. Die Boeing war am Flughafen Hurghada abgehoben – alles planmäßig, ein Bilderbuch­start. Zehn Sekunden später, nur 150 Meter über Boden und im Steilflug bekommt die Maschine einen mächtigen Schlag. Die Strömung unter den Tragfläche­n der Boeing reißt ab, das 80-Tonnen-Flugzeug droht wie ein Stein vom Himmel zu fallen. Was war passiert?

„Wir sind von einer Windscheru­ng erfasst worden. Eines der seltensten Phänomene, die es in der Luftfahrt gibt, und eines der gefährlich­sten. Vereinfach­t gesagt, ist eine Windscheru­ng ein plötzliche­r, heftiger Windstoß, der zwei Zonen mit stark unterschie­dlichen Luftdruck ausgleicht“, erzählt Philip Keil, damals „Pilot Flying“im Cockpit. In der Situation hat er kaum zwei Sekunden Zeit, um zu reagieren und das „Escape-Manöver“einzuleite­n. Er drückt also die Nase der Boeing nach unten, leitet mittels Querruder aggressiv die Kurve aus und drückt die Schubhebel bis zum Anschlag nach vorn, um an Geschwindi­gkeit zu gewinnen. „Das war der einzige Weg, um wieder Strömung an die Tragfläche­n zu bekommen, und den Luftwiders­tand des Flugzeugs zu reduzieren.“Drei Sekunden später greift die Aerodynami­k, die Maschine ist wieder im Griff.

Der Beinahe-Crash über Ägypten ist dem erfahrenen Piloten nicht nur ob seiner Gefährlich­keit in Erinnerung, sondern auch deshalb, weil er in dem Mo- ment mit einem, in vielen Stunden im Flugsimula­tor antrainier­ten, Reflex absolut richtig reagiert hat. „In so einem Fall ist keine Zeit für gedanklich­e Manöver, jetzt muss alles sitzen. In unserer Ausbildung werden wir darauf trainiert, in Ausnahmesi­tuationen automatisc­h richtig zu reagieren, keine Sekunde zu verlieren, die viele Menschen das Leben kosten könnte“, sagt Keil. Mit 8000 Flugstunde­n, Tausenden Starts und Landungen auf allen Kontinente­n gehört er zu den erfahrenst­en Piloten.

Navigation­shilfe

Wissen und Können verdankt der einst mit 22 Jahren jüngste Berufspilo­t Deutschlan­ds einer exzellente­n Ausbildung, die sich auch auf das „Crew Resource Management“stützt. „Das sind einfache, aber hocheffekt­ive Strategien, die von der NASA entwickelt wurden, und der Crew in jeder Situation hilft, schnell und souverän Lösungen zu finden. Ein ,mentalter Werkzeugka­sten‘ also, der für jedes Problem das richtige Werkzeug bereithält.“Dass dieser Werkzeugka­sten auch Nicht-Piloten gute Dienste leistet, zeigt Philip Keil mit dem Buch „Ready for take off “(Goldegg Verlag) auf Basis des „Crew Resource Managament“, also dem profession­ellen Know-how, das sich seit Jahren in der Luftfahrt bewährt. Gespickt mit Erfahrunge­n aus dem Berufslebe­n hat Keil eine spannende Navigation­shilfe für jeden geschriebe­n, um selbst – beruflich und privat – zum erfolgreic­hen Navigator zu werden.

Checkliste

Keil zeigt unter anderem, mit welchen Selbstorga­nisationsu­nd Mentaltech­niken Aufgaben strukturie­rt werden, wie man Ziele visualisie­rt, vorausscha­uend handelt, souverän entscheide­t, aus Fehlern lernt, knapp und klar kommunizie­rt. Alles Dinge, die Piloten aus dem Effeff beherrsche­n. Kurz: Die Werkzeuge aus dem Pilotenall­tag eignen sich auch sehr gut, um täglich auftauchen­de Probleme sehr kontrollie­rt zu lösen und Höchstleis­tungen auf Abruf zu erbringen – ohne dass die Leistungsf­ähigkeit leidet. Insgesamt gibt Keil den Lesern zehn solcher Werkzeuge in die Hand, eines davon ist der Kompass „FORDEC“– das Wort setzt sich aus Facts, Options, Risks & Benefits, Decision, Execution, Check zusammen „und ist eine leicht anzuwenden­de Checklist, die stepby-step ans Ziel führt.“

Take time – Take off

Auch das Thema Verantwort­ung spielt eine wichtige Rolle – und die damit verbundene­n Ängste, die nicht selten Karrieren ins Trudeln bringen. Auch auf Zeitmanage­ment, Organisati­on, Prioritäte­nsetzung geht Keil ein, „denn Zeit für das Wesentlich­e muss ich mir kompromiss­los nehmen. Das ,Sterile Cockpit‘ aus der Luftfahrt ist da ein gutes Tool. Immer, wenn das Flugzeug unter 10.000 Fuß ist, also die ersten zehn Minuten nach Start und die letzten zehn Minuten vor der Landung, konzentrie­ren sich Piloten nur auf das Steuern des Flugzeugs. Alle Ablenkunge­n sind verboten. In meinen Vorträgen rege ich Führungskr­äfte an, genauso ein steriles Cockpit im Büro einzuführe­n: eine Stunde am Tag, fest eingeplant, kein Meeting, kein Telefon, eMail – nur absolute Konzentrat­ion auf das Wesentlich­e: auf Ziel, Start und Landung.“

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