Kurier

Der ferngesteu­zuer rte Kunde

Einkaufen 4.0. Kunden bekommen Aktionen aufs Handy, sobald sie sich dem Shoppingce­nter nähern. Der Schranken zum Parkhaus erkennt Stammkunde­n und Händler wissen genau, welchen Weg sie gehen.

- AUS MAILAND SIMONE HOEPKE

Wer glaubt, unbemerkt ein Einkaufsze­ntrum betreten zu können, irrt. Jeder Kunde wird mittels Kamera registrier­t und gezählt. „Das ist seit etwa fünf Jahren überall Realität“, bestätigt Marcus Wild, Chef der Spar European Shoppingce­nters (SES), die in Österreich 18 Einkaufsze­ntren betreibt. Lebensmitt­elhändler würden aufgrund solcher „Headcounts“(Kopfzahlen) die Personalpl­anung an der Kasse machen. Wild: „Kommen viele Leute rein, wissen sie, dass sie 20 Minuten später weitere Kassen aufmachen müssen, weil es sonst zu langen Wartezeite­n kommt.“

Das bloße Zählen von Köpfen ist vielen zu wenig. Händler wollen wissen, an welchen Auslagen Menschen stehen bleiben, in welche Geschäfte sie gehen, wie lange sie bleiben, was Frauen und was Männer anspricht. Das finden sie am besten über die Auswertung der Handydaten heraus.

„Nutzen Shopping-Center-Kunden Wi-Fi, erklären sie sich in den Nutzungsbe­dingungen einverstan­den, dass wir Informatio­nen von ihrem Twitter- oder Facebook-Account verwenden“, erklärt ein Anbieter einer entspreche­nden Software am Rande einer Konferenz des Shoppingce­nter-Verbandes ICSC (Internatio­nal Council of Shopping Centers) diese Woche in Mailand. Sprich: Das Smartphone verrät von seinem Nutzer auch Geschlecht, Altersgrup­pe, eventuell Geburtsdat­um (sofern freigescha­ltet) und bei welchen Themen er den Daumen hochhält. Laut Wild sind solche Auswertung­en in Österreich noch nicht verbreitet: „Wir werten Handydaten erst in zwei Shoppingce­ntern aus.“

Der deutsche Konkurrent ECE testet seit drei Jahren mit einem eigenen Unternehme­n – ECE Future Labs –, was Kunden wollen. Etwa, dass sich der Schranken zum Parkhaus automatisc­h öffnet wie bei einer Mautstatio­n und man nicht erst umständlic­h das Ticket ziehen muss. Möglich machen das Kundenkart­en, die online bestellt werden und von denen die Parkgebühr auch gleich abgebucht wird. „Damit sparen sich Kunden auch lästiges Warten beim Parkschein­automaten. Wir haben schon 2000 Nutzer“, sagt Sebastian Baumann von ECE Future Labs.

Werbung von nebenan

Dass Kunden, sobald sie in die Nähe eines Shoppingce­nters kommen, Werbung von den dort ansässigen Händlern aufs Smartphone bekommen, kommt laut Baumann gut an. Die ECE hat dieses „Service“daher von seinen Test-Shoppingce­ntern (vier in Deutschlan­d, eines in Istanbul) auf 25 weitere ausgerollt. Belästigt fühlen sich die Kunden laut Baumann nicht.

In Rumänien gibt es schon Friseure, die wenn sie gerade freie Kapazitäte­n haben, spontan Angebote via App an Kunden im Shoppingce­nter schicken. „Da heißt es dann, wer in vier Minuten im Salon ist, bekommt einen Haarschnit­t um 25 Prozent des Normalprei­ses“, berichtet ein internatio­nal agierender Händler. In Osteuropa sei viel mehr möglich als in Ös- terreich – „Stichwort Datenschut­z“, fügt er hinzu.

Keine Hemmungen haben Kunden offenbar, wenn es darum geht, sich fotografie­ren zu lassen. Bei sogenannte­n Foto-Boxen, die etwa die Flucht vor einem Löwen simulieren und das Foto dazu aufs iPhone senden. „Solche Boxen machen in Shoppingce­ntern 6000 Fotos im Monat“, berichtet Baumann. Eine gute Werbung, weil die Fotos über Facebook oder WhatsApp geteilt werden. Die ECE lässt ihre Boxen deshalb demnächst durch 60 Einkaufsze­ntren touren.

Auto-Suche

Damit es bei Verlassen des Einkaufsze­ntrums keinen unnötigen Stress gibt, hat die ECE in Test-Shoppingce­ntern QR-Codes an den Säulen im Parkhaus angebracht. Sie leiten Kunden zurück zu ihrem Auto. Das entspannt auch die Mitarbeite­r. „Es vergeht kein Samstag, an dem nicht zumindest ein Kunde glaubt, dass sein Auto gestohlen wurde, weil er es nicht wiederfind­en kann“, so ein Manager.

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 ??  ?? Wie viele Kunden sind im Einkaufsze­ntrum und an welchen Schaufenst­ern bleiben sie wie lange stehen? Händler können alles messen
Wie viele Kunden sind im Einkaufsze­ntrum und an welchen Schaufenst­ern bleiben sie wie lange stehen? Händler können alles messen

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