„Für mich war der Staatsvertrag
Neue Serie. Rot-Schwarz bei Präsidenten-Wahl nur noch knapp über 20 Prozent, Blau am Sprung in die Hofburg: II. Republik – war’s das? Im KURIER erzählen Zeitzeugen, wie sie diese Ära erlebt haben, was verzichtbar ist und was bleiben soll. Den Anfang macht
Manuskript gekommen. Anfang der 60erJahre war ich Leitender Redakteur bei der Zeit im Bild, mein Chefredakteur war ein Tontechniker und strammer SPÖ-Genosse aus Klagenfurt. Er hat Kurzschlüsse reparieren können, sonst aber nichts. Ich hatte wegen eines geplanten Interviews über eine Werbekampagne des Bundesheeres („Komm zum Heer“) einen Riesenwickel mit dem damaligen ÖVP-Verteidigungsminister Karl Schleinzer. Schleinzer und ich saßen vor dem Interview gemeinsam im Schminkraum und er sagte zu mir: Herr Redakteur, was werden Sie mich denn fragen? Ich habe gesagt: „Na ich werde Sie über den Beruf des Soldaten fragen: Ist es erstrebenswert Soldat zu werden?“Darauf hin hat Schleinzer einen Anfall bekommen: „Das werden Sie mich sicher nicht fragen. Sie werden mich fragen“und hat mir ein Manuskript in die Hand gedrückt. Ich habe gesagt, dass ich ihn das sicher nicht fragen werde und bin gegangen. Der damalige Chefredakteur Ingenieur Dörflinger hat das Manuskript zitternd übernommen und daraus die Interviewfragen abgelesen. Das war ein Meilenstein der knienden Berichterstattung. Wie konnten Sie im ORF dennoch solange erfolgreich überleben?
Durch Glück – und manchmal durch die Feigheit der Großkopferten. Zwei Mal bin ich ja hinausgeflogen. Einmal 1959 nach einem Bericht über den geplanten Staatsbesuch des Schah von Persien. Dieser hat den Besuch deswegen abgesagt. Nach einer parlamentarischen Anfrage durch den späteren FP-Volksanwalt Gustav Zeilinger musste mich der wieder nehmen. Und einmal nach einem Bericht über die Salzburger Festspiele – wegen des Schlusssatzes in einer Reportage über die gegensätzliche Welten in der Mozartstadt Ende der 60er-Jahre: „Die Hippies rauchen ihre Joints und die Bürger sitzen im Theater“. Darauf hin hat Gerd Bacher den Chefredakteur Franz Kreuzer angerufen und hat gesagt, hau den raus. Ich brauche im Aktuellen Dienst keinen Bert Brecht. Man konnte mich aber nicht raushauen, weil ich nichts verbrochen hatte und so wurde ich der erste weiße Elefant im
Weil mir das aber bald zu fad war, habe ich Formate wie Panorama, Jolly Joker, Seinerzeit und später noch Universum, die Seitenblicke und Bundesland heute erfunden. Zunächst aber übernahm ich die Sportredaktion. Da bestand offenbar weniger Gefahr, dass Sie Politikern auf die Zehen treten?
Politiker fühlen sich rasch überall auf die Zehen getreten. Aber nach dem RundfunkVolksbegehren 1966 und der ORF-Reform unter ÖVP-Kanzler Josef Klaus ist das besser geworden. Da hat dann ein roter unabhängiger Journalist den roten Minister und ein schwarzer unabhängiger Journalist den schwarzen Minister interviewt. Das war schon ein Fortschritt und die Politiker waren glücklich. Was sagen diese wechselnden Zustände im ORF über den Zustand der Zweiten Republik?
Der war immer ein getreuer Spiegel des Landes. Er war immer von außen bestimmt. Und im ORF haben die Betriebsräte den Ton angegeben – auch vor meiner möglichen Wiederwahl. 1990 war der schwarze Betriebsratschef bei mir und wollte einen gelben Audi A6 als Dienstwagen, andere wollten hohe Posten im Ich habe sie alle hinausgeworfen und meine Karriere im beendet. Ich habe dann noch ein großes Interview im
gegeben mit der Forderung: „Politik raus aus dem ORF.“Ich habe gewusst, dass danach nur ich raus aus dem bin. Aber hin und wieder muss das ja einer sagen. Ist das absehbare Ende der rot- schwarzen Dominanz die Chance für eine Befreiung des ORF oder geht das nur unter neuen Vorzeichen so weiter?