Eine Katastrophe“
Es kommen sicher die anderen und wollen sich den unter den Nagel reißen. So wie die Regierung ausschaut, so wird es auch im
ausschauen. Dieses Goschen halten und sich ducken ist etwas sehr Typisches im Umgang mit der Politik. Generell gefragt: Ist das Buckeln vor den Mächtigen etwas sehr Österreichisches und kennzeichnend für die Zweite Republik?
Nein, in Deutschland kuschen sie wirklich. Der Österreicher kuscht zwar, aber plant gleichzeitig irgendeine Gemeinheit dagegen. Er lässt am Klo nicht hinunter oder so. Sie waren als Schüler in einem katholischem Internat. Ist die Kirche heute noch ein Faktor?
Die Kirche ist heute politisch nicht mehr wirklich wichtig. Dem Papst geht es ein bisserl wie dem Kanzler. Die wirklich Mächtigen sind in Rom die Kurienkardinäle, bei uns sind es die Landesfürsten. Solange das Joch der Bundesländer nicht abgeworfen werden kann, ist es unmöglich in Österreich etwas zu verändern. Unsere Politiker sind ja doppelt kastriert. Auf europäischer Ebene bestimmt die Finanzindustrie was passiert und zu Hause haben die Landeshauptleute das Sagen. Ich will ja den Faymann nicht in Schutz nehmen, aber als Kanzler hat er auch noch einen ungeliebten Koalitionspartner in der Regierung. Natürlich geht da nichts weiter. Wer glaubt, dass die FPÖ mehr weiterbringen wird, wird sich einmal mehr wundern. Schwarz-Blau war doch seinerzeit eine einzige Katastrophe, wo alle nur gestohlen haben. Das würde wieder kommen. Nur meinem alten Freund Gerhard Zeiler schreckt das alles nicht. Er traut sich zu, das Ruder herumzureißen. Kann Gerhard Zeiler, Ihr ehemaliger Generalsekretär, der jahrelang als Medienmanager im Ausland gelebt hat, den Kanzlerjob?
Ich glaube ja. Er bringt einen unverbauten Blick mit, den nötigen Ehrgeiz und auch den notwendigen Elan. Ich glaube, dass bald viele sagen würden: Überraschend, dass man die Dinge auch so anpacken kann. Allein, wie er damals als Chef die korrupten Betriebsräte abserviert hat, dafür gebührt ihm der Nobelpreis. Da werden die Gewerkschaften, eine Säule der Zweiten Republik, keine Freude mit ihm haben.
Das weiß ich nicht, aber Gott sei Dank ist das nicht mehr meine Sorge. Was wird und soll von den unbestritten vielen Tugenden der Zweiten Republik – wie etwa die Sozialpartnerschaft und der soziale Friede – auch die nächsten zehn, zwanzig Jahre überdauern?
Das Spiel wird längst nicht mehr in Österreich gemacht, sondern in Amerika und in der EU. Ich sage immer wieder: Wir bräuchten einen Politiker wie den ehemaligen französischen Staatspräsidenten Charles De Gaulle, der Europa ein neues Selbstbewusstsein gibt. Ich glaube nicht, dass eine speziell-österrei- chische Politik machbar ist, die uns Ruhe und Zufriedenheit sichert. Leider sitzen in Brüssel die falschen Leute. Denn man hat nicht immer die Besten und Wichtigsten hingeschickt, sondern die, die man zu Hause nicht mehr brauchen konnte. Aber es bleibt uns nichts anders übrig, als damit zu leben, denn einen Austritt aus der EU fände ich fatal. Was wird das im Land verändern, sollte am 8. Juli Norbert Hofer als Bundespräsident in die Hofburg einziehen?
Viele, die Blau gewählt haben, werden es bald bereuen. Denn wenn dann der Strache Kanzler ist, dann werden die Leute merken, dass es wirtschaftlich unklug ist, mit der EU auf Kriegsfuß zu sein. Ich bin froh, nie bei einer Partei gewesen zu sein. Ich bin nur Mitglied in der Kirche. Das ist zwar auch hoffnungslos, aber da kommt man wenigstens nicht in die Verlegenheit, jemanden wählen zu müssen. Morgen, Montag, im KURIER: Die Zeitzeugin Erika Pluhar im großen Interview