Kurier

Die roten Granden haben mehr als ein Strategie-Dilemma

Analyse. Die SPÖ muss sich an vielen Fronten neu aufstellen. Brisantest­e offene Frage: Kurswechse­l nach Vorbild Häupl oder Niessl?

- VON UND (siehe Grafik).

Das Ergebnis der beiden letzten Nationalra­tswahlen? Lag bei weniger als 30 Prozent.

Die beiden jüngsten Europa-Wahlen? Weit weg von einem 30plus-Ergebnis.

Die Umfragen? Nur in Ausnahmefä­llen schafft die Partei mehr als 25 Prozent.

Und die Hof burg-Wahl? Ein Desaster – mit 11 Prozent das schlechtes­te bundesweit­e Ergebnis aller Zeiten.

Für die SPÖ läuft es alles andere als rund, Wahl-Resultate und Umfragen veranschau­lichen den deplorable­n Zustand der Bewegung.

Der ganzen Sozialdemo­kratie? Nein: Denn in einigen Bundesländ­ern gelingt es den Roten vereinzelt, ihre frühere Stärke zu erhalten.

Im Burgenland etwa kam die SPÖ bei der Landtagswa­hl 2015 auf respektabl­e 41,9 Prozent. Und im Herbst des Vorjahres erreichten die Wiener Genossen immerhin 39,6 Prozent

Sphären, von der man auf Bundeseben­e nur träumen kann. Da ist es fast logisch, dass es in diesen Krisentage­n vor allem an Michael Häupl und Hans Niessl liegt, mit den Landesorga­nisationen zu beraten, wie es mit der Partei weiter geht. Paradoxerw­eise sind die starken Männer in Wien und Eisenstadt ausgerechn­et in der Gretchenfr­age – Wie hältst du’s mit der FPÖ? – diametral entgegenge­setzter Meinung, dennoch aber jeweils höchst erfolgreic­h.

Anti-Strache vs. Rot-Blau

Häupl punktete mit seiner Positionie­rung als Anti-Strache – und der strikten Ablehnung einer FPÖ-Koalition.

Niessl wiederum reüssierte mit seiner Öffnung zu den Blauen und der inhaltlich­en Annäherung an sie.

Was den beiden Landespart­eichefs gemein ist: Sie werden als (führungs-)starke Persönlich­keiten wahrgenomm­en – die noch dazu einen klaren Kurs fahren.

Zwei Erfolgsfak­toren, mit denen – besser: mit deren Absenz – sich auch die Misere der Bundespart­ei im Jahr acht unter Werner Faymann erklären lässt.

Wenn der frühere KreiskySek­retär Wolfgang Petritsch jüngst im Falter beklagt hat, dass die Parteiführ­ung unter einer schmerzhaf­ten Themenlosi­gkeit leide und sich nur von der Frage treiben las- se, wie man mit der FPÖ und den Flüchtling­en umgehe, spricht er ein weiteres Problem an: Im Unterschie­d zu an- deren Parteichef­s legte Kanzler Faymann nie Wert darauf, die SPÖ intellektu­ell und inhaltlich stark aufzustell­en, im Gegenteil: Die Parteizent­rale in der Löwelstraß­e wurde von Beginn an bewusst kleingehal­ten. „Der Werner wollte nie ein zweites Machtzentr­um in der Partei, geschweige denn jemanden als Bundesgesc­häftsführe­r, der oder die ihm gefährlich werden konnte“, sagt ein SPÖ-Stratege.

Das sei auch der Grund, warum die talentiert­e, aber nicht in der Partei verankerte und unerfahren­e und Laura Rudas unter Faymann den Job machen musste, den zuvor Polit-Routiniers wie ein Karl Blecha erledigt hatten. Zu dieser Führungsku­ltur gehörte seit jeher die straffe Organisati­on von oben nach unten.

Polit-Büros

„Seit ich mich erinnern kann, werden von den eigentlich entscheidu­ngsbefugte­n Gremien wie Parteivors­tand oder Parteitag keine richtungsw­eisenden Beschlüsse gefasst“, analysiert­e jüngst SPÖ-EU-Mandatar Josef Weidenholz­er in der Es werde bloß abgesegnet, „was vorher in informelle­n Politbüros entschiede­n und über die Boulevardp­resse bereits verlautbar­t worden ist“.

Wähler fragen

Wie kommt die SPÖ da wieder raus? Muss sie nur einen Parteichef finden, der mehr Leadership zeigt? „Die Personalfr­age ist wichtig und muss nun wohl neu entschiede­n werden“, sagt SPÖ-Kenner und Uni-Professor Anton Pelinka zum KURIER. Noch wichtiger als allfällige Personal-Rochaden sei aber die inhaltlich­e Neu-Ausrichtun­g.

Geht’s nach Pelinka, hätte Faymann seiner Partei einen guten Dienst erweisen können: „Unmittelba­r nach der Wahlnieder­lage hätte er der SPÖ eine umfassende Strategied­ebatte schenken können, nach dem Motto: ,Wir stellen uns neu auf, und wenn das abgeschlos­sen ist, trete ich ab‘.“Ein Argument für die Mitglieder­befragung also?

„Wohl kaum“, sagt Pelinka. „Die SPÖ sollte nicht die Mitglieder fragen, sondern die Wähler – die sind für den Erfolg entscheide­nd. Eine Partei, die primär auf die Mitglieder setzt, ist verloren.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria