Handelspakt.
Die Verhandlungen zwischen EU und USA sind in der kritischen Phase, der Rückhalt für TTIP schwindet. Der KURIER beantwortet zentrale Fragen.
Die Amerikaner pochen besonders auf Geheimniskrämerei, die EU macht zumindest ihre eigenen Vorschläge öffentlich. Das Argument für die Heimlichtuerei: Mit offenen Karten lässt sich schlecht pokern. Wer Kompromisse eingeht, steht ungern in der Öffentlichkeit als Verlierer da. Die Parlamentarier dürfen die Texte in Leseräumen einsehen – unter mühsamen Umständen. Das Interesse der Volksvertreter sei aber auch nicht sehr groß, hört man aus dem Wirtschaftsministerium.
Natürlich. Die USA wollen ihre Interessen knallhart durchsetzen, wie die EU auch. So wissen die Amerikaner, dass den Europäern die Abschaffung der Autozölle sehr wichtig ist. Das haben sie für das „Endspiel“aufgehoben und wollen so Zugeständnisse für ihre Agrarexporte erreichen.
In den USA werden Produkte erst verboten, wenn bewiesen ist, dass sie gefährlich sind. In der EU reicht dazu der Verdacht, das regelt das Vorsorgeprinzip. Weil sich in den TTIP-Leaks dazu nichts findet, soll es abgeschafft werden, folgert Greenpeace. Unsinn, kontert EU-Verhandler Ignacio Garcia Bercero. Das Vorsorgeprinzip steht in der „EU-Verfassung“( es kann durch Handelsverträge gar nicht ausgehebelt werden.
In der EU existieren Dutzende Handelsabkommen, auch mit Japan sind die Verhandlungen schon sehr weit. TTIP wäre aber der größte und umfassendste Deal. Weil er nicht nur Zölle, sondern auch Lebensmittel und Sicherheitsnormen berührt, geht das den Menschen nahe und schürt viele Ängste.
Einen Anlauf für ein transatlantisches Abkommen gab es schon 2007, aber die Euphorie von US-Präsident George W. Bush ist rasch abgeebbt. Den Auftrag zu TTIP haben die 28 EU-Regierungschefs im Juni 2013 erteilt. Die Kommission verhandelt TTIP somit auch im Auftrag von Österreichs Regierung.
In Österreich sieht es nicht so aus, aber ja: 53 Prozent der EU-Bürger sind laut Umfrage für TTIP und nur 32 Prozent dagegen. In Österreich ist die Ablehnung mit 70 Prozent am größten, nur 22 Prozent sind für das Abkommen. Das erklärt, warum sich kein Politiker in Österreich mehr dafür stark machen will.
Abkommen wie TTIP bringen mehr Konkurrenz und Wettbewerb. Das senkt in der Regel die Preise für die Verbraucher. Unternehmen, die schwach aufgestellt sind, können aber unter die Räder geraten. Global sind
So wurde eine Untersuchung des Instituts für Höhere Studien interpretiert. Das ist aber verzerrt: Laut IHS werden bis zum Jahr 2025 zwar 35.500 Bauernhöfe in Österreich zusperren – aber „nur“590 wegen TTIP.
EU-Kommissarin Cecilia Malmström versichert, dass der Konsumentenschutz nicht geschwächt wird. Stellt sich das am Ende als Lüge heraus, wird das EU-Parlament kein grünes Licht für TTIP geben. Bestehende EU-Gesetze kann der Pakt nicht aushebeln. Wer mit US-Verhandlern spricht, bemerkt aber rasch: Sie wollen die Uneinigkeit in der EU zu ihren Gunsten ausspielen. So gilt in Ländern wie Österreich ein Anbauverbot für genetisch veränderte Organismen (GVO), Spanien baut diese großflächig an. Bisher erlaubt die EU nur den Anbau einer Sorte Genmais, da werden US-Konzerne Druck machen, um weitere Zulassungen zu erwirken. In die EU importieren darf man schon jetzt eine ganze Reihe von GVO-Pflanzen. Auch in Österreich werden große Mengen GVO-Soja an Tiere verfüttert.
Würden nur die Zölle abgeschafft, wäre das für die USA ein größerer Vorteil als für die EU. Deshalb wollen europäische Firmen bei öffentlichen Aufträgen in den USA mitnaschen dürfen, auch in den Bundesstaaten und Städten. Da legen sich die USA ebenso quer wie bei der Reform des Investorenschutzes, wo die EU ein dauerhaftes Schiedsgericht will. Die USA verstehen auch nicht, dass EUHersteller Schutz für geografische Herkunftsbezeichnungen („Tiroler Speck“) fordern.
Ja, die Länder-Parlamente stimmen sicher über jene TTIP-Teile ab, die in die nationale Verantwortung fallen. Der reine Handelsteil (Zölle & Co.) könnte „vorläufig angewendet“werden, notfalls sogar unbefristet. Der komplette TTIP-Vertrag würde aber nicht in Kraft treten, solange sich ein EU-Staat querlegt.