Kurier

Wahrheit Stimmungsw­andel auch in den USA: Freihandel als Sündenbock

TTIP. Ihren Tiraden gegen den Freihandel verdanken Donald Trump und Bernie Sanders einen Teil ihres Erfolges im amerikanis­chen Wahlkampf

- – INGRID STEINER-GASHI, KONRAD KRAMAR

Die vielen österreich­ischen Skeptiker des geplanten Freihandel­sabkommens TTIP zwischen den USA und der EU haben Schützenhi­lfe von unerwartet­er Seite erhalten: Donald Trump. Dem polternden republikan­ischen Präsidents­chaftskand­idaten ist zu verdanken, was bis vor wenige Monate noch undenkbar schien: Ein Scheitern des Paktes ist möglich geworden, weil sich die Stimmung auch in den USA radikal gedreht hat.

„Freihandel“– dieses Wort wurde in den vergangene­n Monaten des teils höchst untergriff­ig geführten Wahlkampfe­s nahezu zu einem Schimpfwor­t. Zu einem Synonym für alles, was aus der Sicht von Millionen Amerikaner­n schiefläuf­t: Jobs, die ins Ausland ausgelager­t wurden, gesunkene Löhne, billige Produkte, die die heimischen Unternehme­n niederkonk­urrieren und ruinieren. „Amerika zuerst“, lautet denn auch das Gegenrezep­t des New Yorker Baumilliar­därs, das unzählige, von ihrem wirtschaft­lichen Abstieg gefrustete Wähler in den Bann schlug.

„Größter Diebstahl der Welt“

Trumps simple Gleichung: Ausländer „killen uns beim Handel“, sagt der konservati­ve Präsidents­chaftskand­idat, weil Amerikaner viel mehr für Importe ausgäben als der Rest der Welt für amerikanis­che Exporte. Chinas gigantisch­er Handelsübe­rschuss gegenüber den USA sei überhaupt der „größte Diebstahl in der Geschichte der Welt“. Mit seinen Tira- Pakt für den „amerikanis­chen Arbeiter“, gibt auch Bernie Sanders zu bedenken, während Trump schnaubt: China werde TPP zu seinem Vorteil ausnutzen – obwohl Peking am Abkommen gar nicht beteiligt ist. Aber um die schiefe Handelsbil­anz mit China auszugleic­hen, hat Trump ohnehin so seine eigenen Ideen: „Alle chinesisch­en Einfuhren mit Zöllen von 45 Prozent belegen.“Generell weist die amerikanis­che Vorwahldis­kussion klar in die Richtung: Handelsbar­rieren, Mauern errichten, Protektion­ismus.

Wirtschaft­swissensch­aftler setzen der zunehmende­n Antifreiha­ndelsrheto­rik entgegen: Nicht die offenen Grenzen für ausländisc­he Waren hätten Millionen Jobs in den USA vernichtet, sondern der technologi­sche Fortschrit­t. Fünf Millionen Arbeitsplä­tze gingen seit Beginn des chinesisch­en Importboom­s in den USA verloren – fast genauso viele neue Jobs sind im selben Zeitraum entstanden.

Nur: Die Löhne lagen deutlich unter dem früheren Niveau. Ein guter Teil der amerikanis­chen Gesellscha­ft wurde also durch den freien Handel nicht reicher, sondern ärmer. Und an dieser Wut und Enttäuschu­ng, die am Freihandel festgemach­t wird, kann derzeit kein amerikanis­cher Präsidents­chaftskand­idat vorbei.

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