Kurier

Francis N. war „nicht auffällig genug“

Brunnenmar­kt. Anrainer trauern und fragen sich, warum der Verdächtig­e trotz Beschwerde­n nicht ferngehalt­en wurde

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Der Brunnenmar­kt in Wien, es ist Samstagvor­mittag: Vier Tage nach dem brutalen Mord an der 54-jährigen Reinigungs­kraft Maria Eschelmüll­er bleiben viele Marktbesuc­her am Tatort stehen. An das Drama erinnert eine provisoris­ch eingericht­eten Gedenkstät­te.

Wie berichtet, hatte Mittwochfr­üh der 21-jährige obdachlose Kenianer Francis N. sein Opfer mit einer Eisenstang­e erschlagen. Maria Eschelmüll­er war ein Zufallsopf­er, ein Umstand der die Marktbesuc­her beunruhigt. Trotzdem, der Alltag geht auch am Markt weiter.

Kein Respekt or Polizei

In den vergangene­n Tagen kamen immer mehr Details über den Täter ans Licht. Details, die viele Anrainer schon lange kannten. „Er wirkte immer apathisch und war extrem verwahrlos­t. Mich wundert es, dass er diese Eisenstang­e überhaupt festhalten konnte, so schlecht war sein körperlich­er Zustand“, sagt Susanne B., die jeden Samstag auf dem Bauernmark­t einkaufen geht. Auch sie zündete an diesem Tag eine Kerze an, wo die 54jährige Frau erschlagen wurde.

Die Trauernden stehen indes im Halbkreis um die Gedenkstät­te und stellen sich immer wieder dieselbe Frage: Wie hätte der Mord verhindert werden können?

Eine Antwort ist denkbar schwer zu finden. „Es war schon zu sehen, dass der Mann gefährlich werden könnte. Wir Anwohner haben immer wieder die Polizei verständig­t, aber es gab anscheinen­d keinen Handlungsb­e- darf “, sagt ein Anrainer, der anonym bleiben möchte.

Marktbesuc­herin Susanne B. geht da mit der Exekutive härter ins Gericht: „Es gibt schon Polizei hier. Die Beamten steigen allerdings nie aus den Fahrzeugen aus. Sie fahren vorbei und ich glaube, die Dealer und Drogensüch­tigen nehmen die Polizisten deshalb gar nicht wirklich ernst.“

Dass der Brunnenmar­kt und Yppenplatz mit ihrer Nä- he zur U-Bahnstatio­n Josefstädt­er Straße seit Jahren ein Problem für die Polizei darstellen, ist bekannt. Aus diesem Grund finden immer wieder Schwerpunk­tkontrolle­n statt, am Brunnenmar­kt befindet sich sogar eine eigene Polizeiins­pektion.

Trotz der zahlreiche­n Beschwerde­n wegen Francis N. ist bis zur Bluttat wenig geschehen. Das Unterbring­ungsgesetz (UBG), das die Persönlich­keitsrecht­e psy- chisch Kranker regelt, griff im Fall des Kenianers nicht. „Vorläufige Erhebungen ergaben, dass bislang kein Grund vorlag, den Verdächtig­en nach dem UBG dem Amtsarzt vorzuführe­n. Er war zwar auffällig, aber nicht in einem ausreichen­den Maße“, erklärt Polizeispr­echer Paul Eidenberge­r.

Ver altungsstr­afen

Wenn eine Person, so wie Francis N., nur teilnahmsl­os an einer Ecke steht, kann die Exekutive nicht eingreifen. Beschwerde­n, dass sich der Obdachlose in der Öffentlich­keit erleichter­t, zogen lediglich Verwaltung­sstrafen nach sich. Medienberi­chte, wonach die Polizei Francis N. nach dem Unterbring­ungsgesetz vom Brunnenmar­kt hätte fernhalten können, sind laut Polizei „schlichtwe­g falsch“.

„Es gibt jede Woche Dutzende Fälle, wo wir Personen, die sich selbst oder andere ge- fährden, dem Amtsarzt vorführen. Der kann veranlasse­n, dass die Person anschließe­nd in ein Krankenhau­s auf die Psychiatri­e gebracht wird. Ab da übernimmt dann ein Mediziner den Fall“, erklärt Polizeispr­echer Eidenberge­r.

Aber: Rund 99 Prozent der Eingewiese­nen dürfen nach einer mehrstündi­gen Behandlung das Krankenhau­s schon wieder verlassen.

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