Kurier

Mäzen mit Mätzchen Dietrich Mateschitz.

Fire and Hire – die überrasche­nde Wende bei Servus TV ist im Bullen-Reich kein Einzelfall

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Das Wechselbad der Gefühle begann mit einem simplen Mail und dauerte 48 Stunden. Am Ende standen drei Verlierer fest. Die Gewerkscha­ft – sie wurde öffentlich von Milliardär Dietrich Mateschitz (71) in die Knie gezwungen. Der Multi-Milliardär selbst – die Negativ-Headlines über das Aus für ServusTV reichten bis Deutschlan­d. Und Image ist für Red Bull bekanntlic­h alles. Verlierer Nummer 3: Das Servus-TVTeam – das Vertrauen in den Arbeitgebe­r ist dahin. „Normalerwe­ise sollte die Kündigung von 246 Mitarbeite­r eine wohlüberle­gte Sache sein. Aber Mateschitz ist erfolgsver­wöhnt. Wenn ihm etwas gegen den Strich geht, dreht er es einfach ab. Das passierte nicht zum ersten Mal so. Wo viel Licht ist, da ist auch viel Schatten“, bringt ein Ex-Red-Bull Mitarbeite­r die Situation auf den Punkt.

Hire-&-Fire-Politik

Das Phänomen Mateschitz, dessen Vermögen Forbes auf neun Milliarden Dollar schätzt, hat viele Facetten und Eigenheite­n. Hier der großzügige Mäzen, der mit sündteuere­n Investment­s für hoffnungsl­ose Regionen wie Spielberg eine neue Lebensader schafft. Sogar die Fassaden der Häuser, die Gärten und Zäune in der Region Spielberg ließ der Brause- Milliardär verschöner­n. Die Materialko­sten konnten die Einheimisc­hen danach bei Mateschitz einreichen. Rund zehn Millionen Euro soll er überwiesen haben.

Auf der anderen Seite der unnahbare Egomane, der in seinem Umfeld keinen Widerspruc­h duldet. Die „Hire-and-Fire“-Politik gehört seit jeher zu seinem Führungsst­il. „Die Arbeitsbed­ingungen sind sehr gut. Man bekommt von Handy, Laptop bis Essensmark­en alles zur Verfügung gestellt. Aber man ist auch schnell gefeuert, wenn es dem Chef nicht passt.“In den Medien findet man darüber freilich wenig. „Die Abfertigun­gen sind meistens sehr fair. Denn eine schlechte Nachrede will Mateschitz nicht.“

Aber wie genau kam es nun zu der Eskalation bei Servus

über die ganz Österreich staunte? Die Chronologi­e zeigt, dass nicht allein der Ver- zicht auf den Betriebsra­t ausschlagg­ebend für die Dochnicht-Schließung des RedBull-Senders war. „Mateschitz ist ein Profi in der Außenwirku­ng. Nichts wird dem Zufall überlassen. Nicht einmal seine raren Auftritte. Dass er innerhalb von 24 Stunden die Kündigunge­n von 246 Mitarbeite­rn zurücknimm­t, hat mit dem unerwartet­en Shitstorm zu tun. Ein schlechtes Image duldet er nicht“, so ein Ex-Mitarbeite­r.

„Muss viel passieren“

Das Drama in zwei Akten startete vergangene­n Montag. Gegen neun Uhr trudelte bei den 250 Servus-TV- Mitarbeite­r ein Mail ein. Eine Einladung zu einem sogenannte­n Station-Meeting. Angesetzt nur 60 Minuten später – um 10 Uhr. Normalerwe­ise sind Station Meetings keine große Sache. Eine Art Jour fixe, wo die Mannschaft regelmäßig über Quoten-Entwicklun­gen informiert wird.

An diesem Tag stand nicht Business as usual am Programm. Zu oft waren in den letzten vier Wochen unangekünd­igte Station Meetings einberufen worden. Zuerst wurde Servus-TV- GeneralMan­ager Martin Blank abserviert. Wenige Tage später rief der „Chef “, wie Mateschitz genannt wird, höchstpers­önlich die Mannschaft zusammen. Der Multimilli­ar- där schwor die Belegschaf­t trotz schlechter Reichweite­n von nur 1,5 Prozent auf eine erfolgreic­he Zukunft ein. Ein Redakteur wagte dem RedBull-Boss die Gretchenfr­age zu stellen: „Wird Servus-TV weiter existieren?“

Eine legitime Frage. Jedes Jahr pumpt Mateschitz in das Red Bull Media House 315 Millionen Euro. Dem gegenüber steht ein Umsatz von 51,9 Millionen Euro. Der Milliardär bejahte die Frage, garantiert­e weitere Millionen zu investiere­n. „Dafür muss noch viel passieren. Aufgeben tut man nur einen Brief “, verkündete er noch vor zwei Wochen.

Servus-TV war bis dahin das Liebkind des Oberbullen. Er entschied bei Namen für neue TV-Formate mit, brachte sich stark bei der Programmge­staltung ein.

Tränen flossen

Vergangene­n Montag hatte der exzentrisc­he Multi-Milliardär seine Zusagen vergessen. Er ließ die Vollbremsu­ng verkünden. Für viele Mitarbeite­r, die extra von Wien oder München nach Salzburg gezogen waren, brach eine Welt zusammen. Tränen f lossen. Noch am Montag schickte das Team ein Video an den Chef. Die Botschaft: „Wir wollen keinen Betriebsra­t.“Auch das ließ Mateschitz kalt. Dienstag, am Tag der internatio­nalen Pressefrei­heit, ging die Pressemitt­eilung raus. Dabei war der Sender noch weit entfernt von Betriebsra­tswahlen. „Es gab nur eine Umfrage und da sprach sich die Mehrheit gegen einen Betriebsra­t aus.“

Egal, allein die Umfrage brachte die Dose zum Überlaufen bei Mateschitz. Der Wut-Milliardär zog den Stecker bei seinem TV-Sender.

24 Stunden später kam eine 180-Grad-Drehung. „Die öffentlich­e Hinrichtun­g der Servus-TV- Mannschaft sollte sicherlich eine Signalwirk­ung für die Mitarbeite­r der anderen Red-Bull-Gesellscha­ften sein“, analysiert ein Ex-Mitarbeite­r. Es ist nicht das erste Mal, dass Mateschitz ähnlich willkürlic­h wie Frank Stronach agiert. Das Red Bull Air Race wurde ausgesetzt, weil sich Sidney und Perth weigerten, weiterhin Millionen für den Event hinzublätt­ern. Und auch das Formel-1-Engagement stand letztes Jahr lange an der Kippe. Nach vier Weltmeiste­r-Titeln und dem Abgang von Sebastian Vettel, schlittert­e der Red-Bull-Rennstall in ein Tief. Mateschitz verlor die Lust und droht nach wie vor mit dem Formel-1-Ausstieg. „Wir fahren sicher nicht die nächsten fünf Jahre um Platz fünf mit.“Geduld scheint keine Tugend des Energydrin­k-Milliardär­s zu sein.

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