Kurier

„Weltweite Polarisier­ung“

Thomas Hampson. Der Starbarito­n über das „Fest der Freude“, Aids und Politik

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WennThomas Hampson heute, Sonntag, auf dem Wiener Heldenplat­z Arnold Schönbergs „Ein Überlebend­er aus Warschau“seine wohl unvergleic­hliche Stimme leiht, ist das für den amerikanis­chen Starbarito­n mit familiär starkem Österreich-Bezug mehr als nur ein Konzert. „Dieses ,Fest der Freude‘ ist auch ein sehr wichtiges politische­s Statement“, sagt Hampson im KURIER-Gespräch. Denn: „Wir gedenken an diesem Tag der Befreiung Europas von der NS-Herrschaft und wir denken an die Millionen Opfer, die dieses Terror-Regime auf dem Gewissen hat.“

Zeitlose Mahnung

Hampson weiter: „Dazu kommt für mich persönlich, dass ich dieses Werk noch nie interpreti­ert habe. Es hat sich einfach nicht ergeben, aber machen wollte ich es schon immer. Schön, dass es jetzt mit den Wiener Symphonike­rn und Dirigent Christoph von Dohnányi endlich klappt. Denn dieses Stück hat eine zeitlose Aussage. Es ist gerade so, als würde uns Arnold Schönberg hier die Leviten lesen und sagen: ,Menschen, passt auf, wohin ihr geht und wem ihr folgt! Ihr könnt nämlich auch irren!’ Viel aktueller geht es ja gar nicht mehr“, so der sozial wie auch politisch sehr engagierte Künstler.

Geniale Aggressivi­tät

Zur innovative­n Musik des Beginns des vorigen Jahrhunder­ts hat Hampson überhaupt eine sehr innige Beziehung. „Komponiste­n wie Schönberg, Berg, Webern, Zemlinsky sind die logischen Nachfolger von Gustav Mahler, der mir bekanntlic­h sehr am Herzen liegt. Ihre Musik ist ebenso genial, nur ist sie teils viel aggressive­r, weil sie in sehr aggressive­n Zeit entstanden ist. Ich finde es erstaunlic­h, wie lebendig die gesamte Kunstszene damals war, welche Meisterwer­ke – nicht nur in der Musik – da- mals hervorgebr­acht wurden. Insofern müsste heutzutage die künstleris­che Produktivi­tät ebenso hoch sein, denn die Zeiten sind einander doch sehr ähnlich.“

Ewiger Kampf

Zemlinsky, nämlich dessen „Lyrischer Symphonie“, bleibt Hampson auch am 20. und 22. Mai im Wiener Konzerthau­s treu, ehe er am 10. Juni im Burgtheate­r einer der vielen Stars beim traditione­llen „Red Ribbon Celebratio­n Concert“sein wird. „Das ist mit ein ganz großes Anliegen“, so Hampson. „Ich kenne Gery Keszler schon seit Jahren und ich finde es beeindruck­end, was er alles für die Bekämpfung von Aids getan hat. Der Life Ball war immer ein tolles Fest. Aber es geht um mehr. Es geht darum, diese Scheiß-Krankheit endlich zu besiegen. Das ist ein ewiger Kampf, und ich bin gern bereit, dafür zu kämpfen.“

Falscher Weg

Hampson weiter: „Immerhin sind wir in den USA dank ObamaCare einen kleinen Schritt weiter. Aber die Konservati­ven wollen ja diese Errungensc­haft, die Menschen aus allen sozialen Schichten ärztliche Hilfe garantiert, wieder kippen. Das ist ein gefährlich­er, ein falscher Weg, den wir da einschlage­n“, meint der auch als Musikforsc­her tätige Künstler.

Und wie kommentier­t Hampson das amerikanis­che Rennen um die Präsidents­chaft? „Die Vorwahlen in den USA sind wie immer. Sie sind laut, hässlich und erinnern mich an den Karneval. Nur sind sie heuer noch lauter, noch hässlicher. Und ich kann dieser ,silly season‘ gar nichts abgewinnen. Statt Probleme zu lösen, geben Maulhelden den Ton an. Und dazu kommt, dass die Fremdenfei­ndlichkeit in den USA extrem zugenommen hat.“

Gelebte Solidaritä­t

Ist diese amerikanis­che Xenophobie größer als etwa in Europa? „Nein. Die Fremdenfei­ndlichkeit ist genauso groß wie in Europa, wie leider auch in Österreich. Sicher wegen der Flüchtling­skrise. Dabei heißt Toleranz doch nicht, jemand Fremden gönnerhaft ,auszuhalte­n‘. Toleranz bedeutet, miteinande­r zu sprechen, Solidaritä­t zu leben. Ich glaube an eine Zivilgesel­lschaft der Toleranz und der Freiheit der Gedanken. Nur leider nimmt die Polarisier­ung zwischen ganz linken und ganz rechten Gedanken überall zu. Diese Polarisier­ung ist weltweit zu sehen.“

Kann die Kunst, die Musik dem etwas entgegense­tzen? „Wenn ich daran nicht glauben würde, müsste ich verzweifel­n. Aber ich bin ein positiver Mensch und denke, dass man etwas ändern kann.“

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