Kurier

„Andernfall­s wäre ich ein Junkie“

Hip-Hop. RAF Camora ist einer der gefragtest­en Rapper im deutschspr­achigen Raum

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Jan, das weiß Raphael Ragucci noch genau, hieß jener Schuldirek­tor, der ihm vielleicht nicht das nackte Leben, aber zumindest ein sinnvolles schenkte. Denn nachdem der in Wien aufgewachs­ene Sohn einer Italieneri­n und eines Vorarlberg­ers mit 15 ein Jahr auf der Straße gelebt und „viel Blödsinn angestellt“hatte, wollte er zurück auf die Schule. „Ich habe mich vor den Direktor hingekniet und gesagt: ,Sie haben mein Leben in der Hand‘ “, erinnert sich der 31-Jährige im KURIER-Interview. „Ich bat ihn, mich wieder aufzunehme­n und er tat’s. Andernfall­s wäre ich heute ein Junkie.“

Erfolgreic­h

Stattdesse­n ist Ragucci heute unter dem Pseudonym RAF Camora einer der gefragtest­en Rapper im deutschspr­achigen Raum. Er erreicht mit seinen Alben regelmäßig die Top fünf der Charts und wurde 2014 mit dem Amadeus für „Best HipHop/R&B“ausgezeich­net. Und mit der eben erschienen­en Platte „Ghost“empfiehlt er sich dringend für die AmadeusAwa­rds von 2017.

Denn dabei packt der seit neun Jahren in Berlin leben- de Musiker alles aus, was er hat. Er rappt und singt, variiert die Beats zwischen Hip/Hop, Dancehall und Reggae, baut hier Reminiszen­en an Grunge ein, dort an klassische Orchester-Klänge. Immer mit eingängige­n Hooks – ohne Scheu vor Pop und Melodie.

Der Grund für die Vielfalt: Für „Ghost“sind RAF Camora und das Alter-Ego RAF 3.0 zu einem Ganzen verschmolz­en: „Ich hatte als RAF Camora in Deutschlan­d angefangen, und damit wurde mir schnell der Stempel StraßenRap­per aufgedrück­t. Das stört mich an sich nicht, aber viele Leute hören sich die Musik dann gar nicht an, weil sie denken, das ist ohnehin nur Proll-Gerede. Deshalb habe ich RAF 3.0 erfunden, als der ich poppigere, Reggae-affine Musik gemacht habe. Beides war schön erfolgreic­h. Aber irgendwann dachte ich, das limitiert mich. Wenn ich einen RAF-Camora-Track mache, in den eine Gesangs-Passage super gut passen würde, denke ich dann immer: ,Aber als Camora darf ich nicht singen!‘ “

Ein Auslöser dafür, die Trennung aufzuheben, war eine Reise nach Japan, bei der sich RAF Camora intensiv mit der Philosophi­e der Samurai beschäftig­te. „Jeder assoziiert damit Kampfkunst. Aber genauso wichtig wie das Kämpfen ist für sie das geistige Training. Wenn man zum Beispiel ,Hagakure: Der Weg des Samurai‘ liest, geht es nur um den Geist. Darum, wie man sich selbst optimiert und sein komplettes Potenzial ausschöpft. Die Essenz ist: Finde, was du ambesten kannst, und konzentrie­re dich so sehr darauf, dass du darin der Beste wirst. Und das habe ich gemacht.“

In seinen Raps und Texten arbeitet RAF Camora häufig mit Bildern und Metaphern. Das habe er von den Franzosen. Er wurde in Vevey in der französisc­hen Schweiz geboren, hat Französisc­h als Mutterspra­che, er liebt Chansons und Jacques Brel.

Anders als sein früherer Freund Nazar (sie haben sich zerstritte­n, vermeiden aber bewusst eine öffentlich­e Schlammsch­lacht) hält er sich aus politische­n Anspielung­en heraus: „Ich habe zu wenig Ahnung davon. Das wäre so, als ob ein Schuster über Gitarrenba­u spricht!“Warum hat er dann einen so provokante­n politische­n Namen gewählt? „Als Abkürzung von Raphael haben mich alle immer schon Raf gerufen. Und weil meine Mutter aus Neapel stammt, haben sie zu ihr oft Camora gesagt. Dass ich das dazugenomm­en habe, war dann schon ein Gag. Aber damals hatte ich echt keine Ahnung, was die RAF ist oder macht.“

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