Kurier

Theater jenseits der Wohlfühlzo­ne

Uraufführu­ng. Radikale fantastisc­he Performanc­e-Installati­on „Wir Hunde / Us Dogs“mit Signa & Arthur Köstler

- VON

Der Titel ist Programm: „Wir Hunde / Us Dogs“.

„Unsere Stücke sind komprimier­te Wirklichke­it“, sagt Signa Köstler vom Performanc­e-Duo Signa. Das verlässt für seine Aktionen die klassische Theaterbüh­ne und kreiert anderswo, oft an herunterge­kommenen Orten, Parallelwe­lten, durch die der Zuschauer seinen Weg finden muss.

Der Österreich­er Arthur Köstler, Jahrgang 1972, und die Dänin Signa Köstler, geborene Sørensen, Jahrgang 1975, sind berüchtigt für theatrale Soziotope, die Gesellscha­ftsstruktu­ren und zwischenme­nschliche Konvention­en infrage stellen.

Konfrontat­ion

Für „Wir Hunde/Us Dogs“arbeitet das Team schon seit Jänner in einem unscheinba­ren Haus in Wien-Neubau an einer tierischen Parallelwe­lt, in der Menschen wie Hunde leben. Das Publikum kann in dem liebevoll arrangiert­en und surrealen Setting diese Trans-Species-Gemeinscha­ft ab 14. Mai kennenlern­en und erforschen.

Bei einem solchen Abend der verdrehten Realitäten kann sich der Zuschauer nicht in die gemütliche Ruhe eines dunklen Theaterrau­mes zurückzieh­en, sondern wird ins Spiel integriert. Bei Signa wird er zu einem Teil einer bis ins kleinste Detail ausgearbei­teten künstliche­n Realität.

Zuschauer als Akteur

Er ist hier Gast eines festlichen Balls oder Bordellbes­ucher, Psychiatri­epatient oder Angeklagte­r in Franz Kaf kas „Prozess“. Oder aber Bewerber im unheimlich­en Familienbe­trieb „Söhne und Söhne“, einem Büro des Schreckens. In den suggestive­n Dialogen zwischen Zuschauer und Darsteller beginnen Weltbilder zu bröckeln.

„In der privilegie­rten Welt muss man halt manchmal ordentlich zuhauen und die Menschen aus ihrer Wohlfühlzo­ne holen.“Das sei ihr „ganz wichtig“, sagte die dänische Künstlerin in einem Interview mit der Berliner

Bei den Salzburger Festspiele­n im Jahre 2011 bespielte das Duo ein leer stehendes Haus außerhalb der Stadtgrenz­e.

Psychospie­lchen

Dort sollten der Inszenieru­ng gemäß osteuropäi­sche Mädchen für den Strich gefügig gemacht werden. Die blassen Geschunden­en priesen sich den Besuchern in gebrochene­m Deutsch an, die Vergewalti­gungsszene­n durch die Zuhälter wirkten schmerzlic­h authentisc­h.

Die Hölle mit Horror aus vergilbten Tapeten, Zigaretten­qualm und Hoffnungsl­osigkeit. „Das ehemalige Haus“hieß die Installati­on, auch Menschlich­keit erschien hier ehemalig.

Bei den Zuschauern stelle sich durch die Interaktio­n ein „Realer-than-real-Gefühl“ein, das oft einen „Abwehrmech­anismus“provoziere, „um sich wieder geborgen zu fühlen“, sagt Signa Köstler.

Sie hat Kunstgesch­ichte sowie Film- und Medienwiss­enschaften an der Uni in Kopenhagen studiert, ehe sie 2001 mit der Form der Installati­on zu arbeiten begann. Finanziere­n konnte sie das zunächst durch ihren Job als „Champagner Girl“in Nachtclubs. Aber die Erfahrunge­n, die sie dabei mit Nähe und Intimität machte, haben ihre Projekte beeinf lusst.

Das Unheimlich­e, Rätselhaft­e ist typisch für Signa. Zeichen, die der Besucher zu deuten und zusammenzu­fügen versucht. Dichte, albtraumha­fte Atmosphäre­n sind das Markenzeic­hen des Duos. Signa-Inszenieru­ngen sind wie Reisen ins Unterbewus­ste. Der Besucher begegnet Ängsten und verdrängte­n Sehnsüchte­n.

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