Von Verrat und dem Scheitern von Utopien
Schauspiel. Heiner Müllers „Der Auftrag“
Zirkus, Burleske und ein zirzensisches Polit-Varieté. Ein Spiel mit Utopien und der Frage: Wie steht es heute um Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit? Wie viel liegt uns noch am Streben nach einer besseren Welt?
In Heiner Müllers „Der Auftrag“, 1980 uraufgeführt, geht es um unvermindert aktuelle Fragen. Tom Kühnel und Jürgen Kuttner haben das Stück als Zirkusmetapher mit Corinna Harfouch als Weißclown inszeniert.
Heiner Müllers spricht
Das Stück handelt von drei Abgesandten des französischen Konvents, die bei jamaikanischen Sklaven eine Revolution gegen die britischen Kolonialherren entfesseln sollen. Als Napoleon an die Macht kommt, stehen sie plötzlich ohne Auftrag da.
Wohin mit dem linken Bewusstsein?
Zu hören ist Heiner Müller. Das Original. Vor 36 Jahren hat er das Stück mit dem Untertitel „Erinnerung an eine Revolution“öffentlich vorgetragen. Die Aufnahme rauscht ein bisschen.
Er hat alle Rollen gesprochen. Und zwar in seiner ganz eigenen Art als Dichter, nicht als Schauspieler. Das heißt: ohne Ausdruck, ohne Verstel- lung. Für Ausdruck und Verstellung sind die Schauspieler auf der Bühne zuständig. Sie bewegen den Mund zu Müllers Worten, und seine Zurückhaltung stachelt sie zu Ausdruck und Verstellung an. Sie bewegen die Lippen überdeutlich, sie gestikulieren viel und setzen vieles auch pantomimisch um.
Nach der Hälfte der Aufführung kommt der Gaststar doch selbst zu Wort: Corinna Harfouch spricht den Monolog des Mannes im Fahrstuhl. Dem soll auch ein Auftrag erteilt werden, aber auf dem Weg zum Büro des Chefs verfährt sich der Aufzug, der Angestellte landet in einer Dorfstraße irgendwo in Peru ...
Ende einer Utopie
Nach Szenen aus dem „Revolutionstheater“– Marx, Lenin, Stalin, Mao und Che Guevara treten auf – wird Debuisson zum Verräter der Revolution, weil er dem guten Leben erliegt. Und Harfouch spricht zum Schluss von der „Schande des Glücks“, der sie nicht widerstehen kann. Das ist es wohl, was mit dem linken Bewusstsein letztlich passiert ist.