Kurier

Expedition ins Unbekannte

24-Stunden-Theater-Marathon. Jan Fabres Großkunstw­erk „Mount Olympus“

- VON

Wie spielt man einen ganzen Tag lang Theater? Diese Frage hat Jan Fabre interessie­rt. Mit 30 Tänzern und Schauspiel­ern hat der belgische Theatermac­her und Leiter der Kompanie Troubleyn ein Jahr lang an einem Extralarge-Parforce-Ritt geprobt. Zwölf Stunden täglich in einer Halle in Antwerpen. Sein Ziel: „Ein dionysisch­es Festival des 21. Jahrhunder­ts“.

„Mount Olympus. To Glorify the Cult of Tragedy“ist ein Ereignis der Superlativ­e, ein Theaterrau­sch. Ein Antiken-Best-of mit den Topstars der klassische­n Tragödien: Eteokles, Odysseus, Iokaste, Ödipus, Phaedra, Alcestis, Hercules, Klytaimnes­tra, Agamemnon, Electra, Orest ...

Der Marathon beginnt mit der Geburt der Götter auf dem Olymp und umfasst alle großen griechisch­en Kriegs- und Familientr­agödien, vom Krieg um Troja über Medea bis zu Ödipus. Fabre: „Medea, Antigone, Dionysos und die anderen Helden stehen für einen Teil unserer menschlich­en Natur: Rache, Eifersucht, Liebe.“

Die „griechisch­e Matrix“beschäftig­t ihn schon seit den 1980er-Jahren. Er hat die Tragödien wieder und wieder gelesen. „Die antiken Mythen zeigen, wie grausam Gesellscha­ften sind. Nur dass die Welt heute viel grausamer ist als in den Tragödien.“Vor sieben Jahren führte Fabre erste Gespräche zu seiner „Olympus“-Idee. Nachts brachte er seine Ideen zu Papier: „Zeichnen und Schreiben mit Füller oder Bleistift hat für mich etwas Erotisches. Ich mag dieses Gefühl, darum nutze ich auch keinen Computer.“

Emotion – Erschöpfun­g

Sogar fünf Tage und Nächte dauerten die Theaterspi­ele zu Ehren des Gottes Dionysos im antiken Griechenla­nd, wie jedes Theaterlex­ikon verrät. Die Frage ist auch für Fabre: Wie hat er sich angefühlt, dieser Rausch aus Geschichte­n, Emotionen und Erschöpfun­g?

Dass er mit seiner alle Grenzen sprengende­n Tanzund Theaterper­formance sich gegen jeden Trend zum schnellen Entertainm­ent stellt, ist Fabre bewusst. Aber bei dieser Expedition in die unbekannte Theaterlan­dschaft ist „alles von der ersten bis zur letzten Minute inszeniert.“Gespielt wird fünfsprach­ig, wobei es deutsche Übertitel gibt.

Unkontroll­ierbar werden die Momente, in denen die Performer einschlafe­n. Auch das sollen sie auf der Bühne. Für die Zuschauer stehen Liegen für Ruhepausen bereit. „Die Müdigkeit, die Erschöpfun­g der Schauspiel­er und Tänzer wirkt sich auf ihre Auftritte aus“, sagt der Re- gisseur, „mental wie körperlich.“Ihn interessie­rt, „was mit uns und unserem Körper passiert, wenn wir wach sind, wenn wir schlafen, wenn wir träumen. Wenn sich das Geschehen auf der Bühne mit den Träumen vermischt und mehr und mehr eins wird.“

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