Der Tanz vom Tod zurück ins grelle, bunte Leben
Schauspiel. Eine Collage als Verquickung von Leben und Kunst: „Orchidee“von und mit Pippo Delbono.
Ein Mix aus Tanz, Musiktheater, Video-Sequenzen und Performance. Eine Bilderflut im Revuestil, üppig, drastisch, zirzensisch und doch subtil. Das ist „Orchidee“von und mit dem Theatermacher Pippo Delbono:
„Die schönste und die heimtückischste Blume zugleich. Bei ihr kann man das Wahre vom Schein nicht unterscheiden. Das Gleiche gilt für unsere Zeit.“
Leben und Kunst
Der Tod seiner Mutter hat den italienischen Regisseur zu diesem Stück inspiriert und ihn angetrieben, gegen die innere Leere anzukämpfen. Und so eröffnet sich auf der Bühne eine barocke Vielfalt der Figuren, Bilder, Masken, Musiken und provoziert Emotionen.
Der 1959 in Ligurien geborene Delbono fügt Leben und Kunst, Welt und Theater, den Tod der Mutter und nackte Körper als Gemäldezitate zu einer irritierenden Collage und einer verwirrenden Geschichte zusammen.
Da werden der römische Kaiser Nero vergiftet und eine Frau von heute interviewt. Da blickt uns Berlusconi an, und vor dem Papst turnen Männer mit nackten Oberkörpern. Zu hören sind Text-Zitate aus der Literatur von Shakespeare über Tschechow bis Oscar Wilde und Charles Bukowski.
Gesellschaftskritik
„,Orchidee‘ entlässt uns am Ende mit dem, was es uns schon zu Beginn zu sagen versuchte: Wir mögen diese Welt nicht, aber es ist die einzige, die wir haben“, schrieb Il Manifesto.
Delbono, der als Erzähler durch den Abend führt, fühlt sich „umgeben von einer Diktatur der Heuchelei, der Künstlichkeit und der Manipulation“und spart nicht mit politischer Gesellschaftskritik: „Wir haben nicht mehr die Freiheit des Denkens.“
Deshalb, so sein Credo, „sollte Theater jenseits der Konventionen etwas in unserem Unterbewusstsein anrühren. Das heißt für mich, ein antibürgerliches Theater zu machen, den Dingen auf den Grund zu gehen.“
Seine Kompanie besteht aus Schauspielern, ehemaligen Obdachlosen, Menschen mit Handicap und Laien: „Menschen, die Zeichen und Geschichten mitbringen“, so der Regisseur im Interview.
Bobòs Geschichte
„Jeder von ihnen hat seine ureigene Art, sich auszudrücken, zu kommunizieren und seine Geschichten zu erzählen. Das ist eine Bereicherung für das Theater und für meine eigene Geschichte.“
Bobò, der kleinwüchsige Taubstumme, zeigt seine Nummer mit einem Stoffhund. „Als ich Bobò 1996 kennenlernte, war er seit 45 Jahren in einer psychiatrischen Anstalt eingesperrt“, erzählt Delbono. „Er war ein Unglücklicher wie ich und als Analphabet gefangen in seiner taubstummen Welt.“
„Man hatte ihm nichts beigebracht, nicht einmal die Gebärdensprache. Und von der Welt wusste er auch nichts. Ich erkannte die Qualität und die Poesie seiner Gesten. Sein Blick berührte mich. Von da an hatte ich den Wunsch, ihn aus dem Irrenhaus herauszuholen.“