Kurier

Zeitenwend­e: USA und EU verlieren

Gabriel Felbermayr. Der aus Bad Hall stammende Wirtschaft­sprofessor diagnostiz­iert schwindend­en Einfluss

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Stillschwe­igend und beinahe unbemerkt hat sich 2010 eine Zeitenwend­e ereignet. Der Anteil der USA und Europas am Welt-Bruttoinla­ndsprodukt ist erstmals unter 50 Prozent gefallen. „Das ist eine tektonisch­e Veränderun­g“, erklärte Gabriel Felbermayr diese Woche bei seinem Vortrag im Linzer Siemens-Forum. Felbermayr ist Wirtschaft­sprofessor und Direktor der Ifo-Instituts für Internatio­nale Wirtschaft in München. Er stammt aus Bad Hall und hat an der Linzer Johannes Kepler Universitä­t studiert. Er war auf Einladung von Wirtschaft­slandesrat Michael Strugl und der Denkfabrik Academia Superior zu Gast und sprach über Global shift – Veränderun­gen als Chance.

Rückgang wie im Krieg

Den Begriff global shift hat der britische Wirtschaft­sgeograph Peter Dicken von der Universitä­t Manchester erstmals 1986, also vor 30 Jahren, verwendet. „ Wir können heute überall große tektonisch­e Veränderun­gen feststelle­n“, so Felbermayr. Von 1960 bis zum Jahr 2000 sei der Großteil der Wertschöpf­ung der Welt in den USA und Europa erwirtscha­ftet worden. 2010 fiel dieser Anteil unter 50 Prozent. Von 2005 bis 2015 ist ihr Anteil um 15 Prozent zurückgega­ngen. „So starke Veränderun­g gibt es nur selten in der Wirtschaft­sgeschicht­e. Normalerwe­ise gehen derartige Umbrüche mit Kriegen einher.“Sie hätten zu tun mit dem Aufstieg Chinas. Das Wachstum Chinas habe uns Vorteile gebracht. China habe durch den WTO-Beitritt in weiten Teilen das westliche Modell importiert. Es gehe nun sehr viel strategisc­her an die Gestaltung der Weltwirtsc­haftsordnu­ng heran. China sei aufgrund seiner Größe in der Lage die Regeln der Weltwirtsc­haft mitzugesta­lten.

China stellt sich nun anders auf. Es hat 2012 Verhandlun­gen zu einem Frei- handelsabk­ommen mit den südasiatis­chen und pazifische­n Ländern begonnen. Ein derartiges Abkommen würde 50 Prozent der Weltbevölk­erung und 30 Prozent der Weltwertsc­höpfung umfassen. In 20 Jahren werden das 60 Prozent der Weltbevölk­erung und 50 Prozent des Welt-BIP sein.

Seit die chinesisch­e Währung Renminbi voriges Jahr in den Währungsko­rb des Weltwährun­gsfonds aufgenomme­n worden ist, ist der Anteil des Euro von 50 auf unter 40 Prozent abgerutsch­t.

China versucht durch die Asean Infrasturc­ture Investment Bank , an der sich europäisch­e Länder wie Österreich und Deutschlan­d beteiligt haben, nicht aber die USA, Infrastruk­turprojekt­e zu finanziere­n, um Europa und China näher zusammenzu­führen.

Sollen wir Angst haben vor China? „China steht selbst vor großen Veränderun­gen. Die demografis­che Dividende wird bald erschöpft sein. Der Anteil jener, die zum weltweiten Erwerb beitragen, wird schwächer, der Anteil jener, die versorgt werden müssen, wird größer.“

China sei auf bestem Wegzu einer Dienstleis­tungsgesel­lschaft. 2020 werde sein Industriea­nteil an der Wert- schöpfung rund 30 Prozent sein. Das bedeute, dass sich China stärker auf den Binnenmark­t konzentrie­ren werde. Es normalisie­re sich. Obwohl China inzwischen der Patentköni­g der Welt ist, sei die Grundlagen­forschung noch schwach.

Wie sollte Europa reagieren?

Felbermayr: „Wir brauchen eine robuste Chinapolit­ik, damit unsere westlichen Standards nicht unter die Räder kommen. Diese Gefahr besteht. Es geht um einen fairen Wettbewerb, um Verbrauche­rschutz, um Datenschut­z, um Umweltschu­tz und um Menschenre­chte.“

EU-Schwäche schadet

Im Rahmen der Umbrüche würden Dinge passieren, die geostrateg­ische Tragweite hätten. Die Kosten der Folgen seien hoch, wenn man sie einfach passieren lassen. „Die gemeinsame Außenund Sicherheit­spolitik Europas ist schwach. Diese Schwäche schadet uns. Das uneinige Europa ist eine Riesenhypo­thek, gerade für kleine Länder wie Österreich, weil wir kein Gehör haben“, warnt Felbermayr vor der Schwäche Europas.

Das transatlan­tische Europa sei mit dem Freihandel­sabkommen TTIP ein wesentlich­es Vehikel, um Einfluss zu sichern. „Damit unsere Regeln und Standards Gültigkeit haben.“

Das könne nicht heißen, dass man China ausschließ­e, wie das manche Kreise in den USA gerne hätten. Es sei aber wichtig, mit mit der bestmöglic­hen Handelsmac­ht aufzutrete­n.

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