Kurier

„Fast keine Vorurteile“

Ayten Pacariz, 45. Überdenkt und verbindet Kulturen

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„Ich denke, dass ich fast keine Vorurteile habe. Natürlich gelingt mir das nicht immer, aber wenn ich mir etwas im Kopf ausmale, dann sage ich es nicht sofort, sondern versuche auch, mein Gegenüber zu verstehen. Das habe ich von meiner Mutter übernommen.“Ayten Pacarizs Mutter war die treibende Kraft in der Familie. Mit ihrer eigensinni­gen Art hat sie die beiden Töchter stärker beeinf lusst als der zurückhalt­ende Vater. Hängen geblieben sind bei der gebürtigen Türkin, die in Wien aufwuchs, nach ihrer Heirat elf Jahre in ihrem Geburtslan­d verbrachte, um schließlic­h nach Österreich zurückzuke­hren, (Über)Lebensstra­tegien und rechtschaf­fene Werte – entstanden ist eine „sehr innige Beziehung“zu der einst so dominanten Bezugspers­on.

Ayten Pacariz hat – im Gegensatz zu ihrer Mutter – den Spagat zwischen den Welten geschafft. Sie weiß, dass an Werten nicht gerüttelt, dass mit Traditione­n und dem Glauben nicht gebrochen werden muss. Es geht darum, neugierig auf Neues zu sein. Bereicheru­ng statt Aufgabe. Aytens Mutter war mit dem Fremden überforder­t. Ihre Kinder sollten es besser haben. „Meine Schwester und ich kamen immer an erster Stelle. Sie hat gearbeitet, damit wir keine Einbußen machen mussten. Es ist uns gut gegangen, weil sie auch das Finanziell­e im Griff hatte“, erinnert sich die 45-Jährige: „Ich schaue auch auf meine Kinder, darauf, dass sie eine gute Schulbildu­ng bekommen. Ich mache das aber nicht mit dem eisernen Willen meiner Mutter, sondern freundscha­ftlich.“Und mit einer gewissen Gelassenhe­it, die sie sich hart erarbeiten musste. Das Vertrauen und das Verbindlic­he, die soziale Ader zeichnet Ayten Pacariz aus. Diese Stärken bringt sie auch im Berufslebe­n ein – beim Verein „Nachbarinn­en in Wien“, der migrantisc­he Familien bei der Integratio­n unterstütz­t. Hilfsberei­tschaft war und ist auch ein Wesenszug ihrer Mutter.

Pf licht

Und dann sind da noch Pünktlichk­eit und Fleiß und Leistung. Die Mutter zeigte es vor, die Tochter tat es ihr gleich – im Bewusstsei­n, sich auch anders entscheide­n zu können. Beim Frühstück gibt es kein Abrücken von alten Gewohnheit­en. Den Pflichtter­min hält sie – wie in der eigenen Kindheit – in ihrer Familie hoch. Zumindest mit Kaffee und Mandeln. Die Gastfreund­schaft – von ihrer Mutter vorbildlic­h vorgelebt – gibt sie ebenfalls an ihren fast erwachsene­n Sohn und ihre kleine Tochter weiter. Es wäre nicht Ayten Pacariz, täte sie das nicht reif lich überlegt und mit dem Feingefühl für Tradition und Kultur.

Nur mit den Weinblätte­rrouladen und dem kreativen Schneidern hat es nicht geklappt. Die Fertigkeit­en der Mutter sind der Tochter nicht ins Blut übergegang­en. „Leider“, sagt Pacariz. Das sture Nein ebenso wenig. Aus gutem Grund. „Das hat mich ziemlich gestört – vor allem in der Pubertät. Das mache ich nicht!“, sagt sie emanzipier­t. Sturheit ist ihre Sache nicht, vielmehr das Weitergehe­n, das Offensein. Pacariz: „Ich möchte das wertfreie Denken weitergebe­n.“Nicht nur am Muttertag.

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