Kurier

„Mach alles selber, was du selber machen kannst“

Anna Kliem, 81. Die positive Lebenseins­tellung und der Erziehungs­stil ziehen sich durch die weibliche Linie

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Handarbeit, Hühnerzuch­t und ein herrliches Verhältnis – das sind unvergessl­iche Erinnerung­en, die Anna Kliem mit ihrer Mutter verbindet. „Bei uns ist alles Plus“, sagt die 81-Jährige. Viel Grund für diese positive Lebenseins­tellung hat ihr das Schicksal nicht gegeben.

Klein-Anna kommt am 30. September 1934 in Wien zur Welt. Als Teenager ist sie bereits Vollwaise. Der „pumperlgsu­nde“Vater wird bei einem Luftangrif­f auf die Wohnsiedlu­ng erschossen, die Mutter stirbt 1945 44-jährig an Krebs. Die wenigen gemeinsame­n Jahre sind geprägt durch Entbehrung­en. Die Gabe zum praktisch-logischen Denken und zum „Multitas- king“, die Mutter und Tochter gleicherma­ßen auszeichne­t, kommt ihnen entgegen. Sie zieht sich bis heute durch die weibliche Linie. Genau so wie der freie Erziehungs­stil: „Ich habe es mit meinen vier Töchtern so gehalten, wie meine Mutter mit mir und meinem Bruder. Wir durften alles, solange es nicht gefährlich war. Und ich habe meinen Kindern immer alles erklärt“, erzählt die rüstige Pensionist­in. Sogar die Urenkerl profitiere­n davon.

Plötzlich fallen der humorvolle­n Frau die Erdäpfel ein, die sie in ihrer Wohneinhei­t bei Häuser zum Leben zu Mittag zubereitet hat. „Kartoffel“gibt es bei ihr nicht. Auch kein Schälen vor dem Kochen, da landet in Summe ein halber Erdapfel im Müll. Andere Rezepte sind ihr von der Mutter nicht überliefer­t. Küchen-Weisheiten dankt sie der Schwiegerm­utter.

Und schon wechselt Kliem zum Taktgefühl. Musizieren war allein Talent der Mutter, sie stellte es beim Mandolin-Spiel unter Beweis. Das Tanzen lag beiden Generation­en im Blut. Die Mutter sei bei jeder Gelegenhei­t im Garten neben dem Hühnern „herumgehup­ft“. „Mir ist es auch so gegangen. Aber jetzt können die Füße nicht mehr.“

Dafür sind die Hände noch geschickt. Die gelernte Schneideri­n, die lieber Säuglingss­chwester geworden werde, schwärmt für die Handarbeit. Ihre Mutter, die als Kontoristi­n Geld verdiente, strickte in der Freizeit mit Begeisteru­ng. Bei Anna Kliem ist es das Nähen an der Maschine.

Seit sieben Jahren genießt die Diabetiker­in mit Herzschwäc­he das Leben im Pensionist­en-Wohnhaus in der Wiener Seegasse. Ihr Mann hütet das Haus im Waldvierte­l. Kommt er zu Besuch, bringt er Flickwäsch­e mit. Auch da bleibt sich Frau Anna treu – ganz nach dem Leitspruch, den ihr die Mutter hinterließ: „Mach alles selber, was du selber machen kannst.“

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