Warum ein flüchtiger Duft gan
Naseweis. Der Mensch verfügt über 30 Millionen Riechzellen und sammelt damit seine
Wenn Sie etwas Schönes träumen wollen, sollten Sie den Polster mit Rosenduft besprühen. Und die Angst vor dem Zahnarzt könnten Ihnen ein Hauch von Lavendel- und Orangenduft nehmen: Düfte prägen uns mehr, als uns bewusst ist. Obwohl der Geruchssinn einer der ältesten Sinne ist, ist er erst seit Kurzem als Forschungsgegenstand etabliert. Im Jahr 2004 erhielten die US-Wissenschaftler Linda und Richard Axel Buck den Nobelpreis für Medizin für die Erforschung der Riechrezeptoren.
„Wir schenken unseren Nasen zu wenig Aufmerksamkeit“, sagt der Wiener Duftexperte Paul Divjak. In einer von visuellen Informationen geprägten Kultur kommen die anderen Sinne zu kurz. Wird etwa ein Duft in zwei verschiedenen Flakons angeboten, wird er fürs Erste als unterschiedlich beurteilt.
Für die akustische Umwelt sind wir laut Divjak bereits weniger sensibilisiert als für die visuelle. „Oft fehlen uns die Worte zur Beschreibung unserer Erfahrung. Geht es dann aber um unsere Geruchswahrnehmung, so denken wir nur mehr im Gegensatzpaar Riecht gut – stinkt.“
Immerhin 20 Prozent der In- formationen, der Umwelt nehmen wir über den Geruchssinn wahr. 30 Millionen Riechzellen auf kleinstem Raum können laut jüngsten Erkenntnissen weit mehr als die bis vor kurzem vermuteten 10.000 unterschiedlichen Düfte unterscheiden. Bis zu einer Billion dürften es sein. Das begleitet uns bereits von Beginn des Lebens an. Babys erkennen ihre Mutter schon kurz nach der Geburt am Geruch. In der Kindheit lernen wir dann, was gut oder schlecht zu riechen hat oder speichern Erinnerungen, die das Duftempfinden fürs ganze Leben prägen.
Geruchssensibel
Zu schätzen wissen wir das allerdings nicht. Den Kulturwissenschaftler Divjak faszinieren Gerüche seit seiner Kindheit. „Ich habe damals versucht, verschiedene gasförmige Gerüche in Einweckgläsern einzufangen, sie über einen längeren Zeitraum zu konservieren.“Sein Faible hat der geruchssensible 45-Jährige zum Beruf gemacht. „Mich begeistert das Kreieren von Atmosphären, das Wecken von ganz persönlichen Erinnerungen und Assoziationen.“Er gestaltet heute für Museen und Institutionen Duftinstallationen zu bestimmten Themen. Im Juni setzt er an verschiedenen Orten in Wien – etwa im Museumsquartier – das Thema „Im Prater blüh’n wieder die Bäume“um. „Jeder Ort hat seine bestimmten, typischen Gerüche. Wenn an solchen, die sonst von Beton geprägt sind, plötzlich Gerüche von Bäumen und Flieder auftauchen, irritiert das die üblichen Sinneswahrnehmungen.“
Das hat damit zu tun, dass wir Gerüche mit Erinnerungen verbinden. Da der Geruchssinn im Gegensatz zu Sehen, Fühlen, Hören oder Schmecken Signale direkt an die Amygdala, das emotionale Zentrum des Gehirns, und den Frontallappen sendet, sind Düfte immer emotional besetzt. Der Geruchssinn beeinflusst sogar, wie das Gehirn die Informationen über neuartige Objekte abspeichert. Neurowissenschaftler der Universität Bochum bauten aus Kinderspielzeug Versuchsobjekte, die sie einem Teil ihrer Studienteilnehmern mit bestimmten Düften versetzt zeigten. Deren Gehirnaktivität war in Teilen des Hippocampus aktiver, schreiben sie in ihrer Studie, die im Fachmagazin Beha ioural Brain Research veröffentlicht wurde.
Erinnerungen
Gerüche sind „das Ureigenste“eines Menschen, sagt Divjak – und doch sind sie flüchtig. Trotzdem kann kaum etwas die Archive unserer Erinnerungen so punktgenau öffnen, wie ein bestimmter Duft. Divjak befragte 150 Menschen zu ihren Lieblingsdüften. Mit Abstand fand sich da der Duft „nach frisch geschnittenem Gras“bzw. nach Wiese an erster Stelle, gefolgt von Gerüchen, die mit der Großmutter verbunden sind: Küche, Schürze, Schrank oder Haut und Haare dieses geliebten Menschen prägten viele. Deshalb erinnert man sich auch nach Jahrzehnten plötzlich unvermittelt wieder an sie. Und ein f lüchtiger Duft erschafft eine ganze Welt.