Kurier

„Das ist eine gefährlich­e Mischkulan­z“

Neue Initiative. Justizmini­ster Wolfgang Brandstett­er über den Umgang mit Hasspostin­gs und Cybermobbi­ng

- VON STEFAN KALTENBRUN­NER

KURIER: Herr Minister, wann waren Sie zuletzt Opfer von Hasspostin­gs? Wolfgang Brandstett­er: Ich verfolge das nicht. In meiner Funktion macht das auch keinen Sinn. Also sich damit zu beschäftig­en, was Leute aus Gründen, die letztendli­ch aus meiner Sicht am Rande des Pathologis­chen sind, von sich geben. Das wäre auch alles andere als motivieren­d. Wir müssen uns mit Dingen beschäftig­en, die uns weiterbrin­gen, und das bringt uns nicht weiter. Hass und Hetze im Internet nehmen immer mehr zu. Gegenwärti­g brechen alle Dämme, es gibt anscheinen­d keine Tabus mehr. Politiker werden offen im Internet mit Mord bedroht, Flüchtling­e will man ersaufen lassen, Moderatori­nnen wünscht man eine Vergewalti­gung. Wie erklären Sie sich diese Entwicklun­gen?

Wir müssen tatsächlic­h aufpassen, dass eine im Prinzip großartige Einrichtun­g wie das Internet nicht zu einer Hassfabrik verkommt. Und darum ist es so wichtig, dass man diesen Entwicklun­gen auf der gleichen Ebene gegenübert­ritt, also über das Internet und über die neuen Medien, und hier, wie es der KURIER gemeinsam mit dem profil vormacht, eine Gegenbeweg­ung initiiert. Natürlich müssen wir auch mit allen gesetzlich­en Mitteln gezielt gegen Hass und Hetze im Internet vorgehen. Aber wirklich erfolgvers­prechend ist, dass sich im Rahmen einer positiven Aktion eine Initiative der Zivilgesel­lschaft gegen diese Entwicklun­gen formiert die klar macht, dass es alles andere als cool ist, solche Hassbotsch­aften loszuwerde­n. Man darf die Gefahr dieses Hasses nicht unterschät­zen, das erzeugt ein Klima, in dem leider vieles möglich ist, das sonst nicht möglich wäre. Warum gerade jetzt diese Polarisier­ung? Was läuft da schief?

Es ist ein Phänomen, das wahrschein­lich auch dadurch mitverursa­cht wird, dass sich die gesellscha­ftlichen Verhältnis­se in den vergangene­n Jahren sehr rasch verändert haben. Das überforder­t viele Menschen. Jeder von uns erlebt das in seinem Bereich. Wir müssen heute viel flexibler sein, zum Beispiel im Beruf. Veränderun­gen passieren in einem viel höheren Tempo als früher, dadurch entstehen Ängste und Sorgen. Dazu kommen Phänomene von außen, wie etwa die Flüchtling­sproblemat­ik, die von vielen Menschen als Bedrohung empfunden werden. All das zusammen führt sicher zu einem Klima der Verunsiche­rung. Und gerade die neuen Medien bieten eine Möglichkei­t, zum Beispiel Ängste schneller nach außen tragen zu können. Sie dienen oft auch als Ventil. Und hier entsteht eine gefährlich­e Mischkulan­z, gegen die wir entschiede­n vorgehen müssen. Welche Maßnahmen könnte oder sollte hier die Politik ergreifen?

Wir können dort konsequent gegensteue­rn, wo es dringend notwendig ist. Das haben wir beim Tatbestand des Cybermobbi­ngs sehr schnell veranlasst. Hier mussten wir rasch reagieren, da wir einen tragischen Schüler-Selbstmord hatten. Auch den Verhetzung­statbestan­d haben wir klarer formuliert und verschärft. Reichen die Gesetze aus?

Ja, das glaube ich schon. Wir haben gerade nachgeschä­rft, und im europäisch­en Vergleich sind wir sehr weit vorne. Aber noch einmal: Wirklich wichtig ist eine positive Gegenbeweg­ung. Die Hetze ist ja nicht nur in den Foren der Medien ein Problem, sondern vor allem auf Facebook und anderen Social-Media-Kanälen. Sie verhandeln gerade mit dem Unternehme­n. Worum geht es in diesen Gesprächen mit Facebook?

Wir verhandeln nicht mit Facebook, wir klären in unseren Gesprächen Modalitäte­n, wie das Unternehme­n nach Aufforderu­ng eines Staatsanwa­ltes strafrecht­liche und giftige Inhalte von seiner Plattform schneller entfernt, sodass es zu keiner Verfolgung kommen muss. Fakt ist, wenn nationale Gesetze gebrochen werden, wird Facebook, so wie alle anderen Unternehme­n auch, zur Verantwort­ung gezogen. Hier gibt es keine Sonderbeha­ndlung. Aber wir sind auf einem guten Weg, die Modalitäte­n zu klären. Ein evidentes Problem ist auch Cybermobbi­ng unter Kindern und Schülern. Jeder dritte Schüler gibt laut einer aktuellen Studie an, schon einmal Opfer einer Cybermobbi­ng-Attacke gewesen zu sein. Wie lässt sich hier gegensteue­rn?

Wir müssen sehr früh bei den Jugendlich­en ansetzen, das hat vor allem auch mit Bildung zu tun. Das Smartphone und die Nutzung neuer Medien können leider auch eine gefährlich­e Waffe sein. Wir sind es eigentlich gewohnt, entspreche­nd unserer traditione­llen Kultur, dass alles das, was gefährlich sein kann, ohne entspreche­nde Einschulun­g nicht genutzt werden darf. Das ist beim Auto so, das ist selbstvers­tändlich auch bei einer Waffe so. Der Handyführe­rschein ist jetzt aber nicht geplant? Da würden Sie bei Jugendlich­en eher weniger punkten.

Nein, aber wir müssen bei der Jugend das Bewusstsei­n schärfen, dass sie mit dem Einsatz ihres Handys auch furchtbare­n Schaden anrichten können. Und wo soll das passieren? In den Schulen?

Ja. Es gibt schon jetzt eine Reihe von Maßnahmen, auch vom Bildungsmi­nisterium, wie wir die Chancen und Risiken von neuen Medien direkt in den Schulen besser kommunizie­ren. Aber wir müssen das natürlich noch verstärken. Hat das nicht generell mit einer fehlenden Medienkomp­etenz vieler Jugendlich­er zu tun?

Auf alle Fälle, wir müssen nicht nur die Medienkomp­etenz, sondern auch die politische Bildung in den Schulen fördern. Hier stehen wir, Politik aber auch die Medien, in der Verantwort­ung.

 ??  ?? Wolfgang Brandstett­er glaubt, dass man Hasspostin­gs neben der notwendige­n strafrecht­lichen Verfolgung auch mit einer positiven Gegenbeweg­ung eindämmen kann
Wolfgang Brandstett­er glaubt, dass man Hasspostin­gs neben der notwendige­n strafrecht­lichen Verfolgung auch mit einer positiven Gegenbeweg­ung eindämmen kann

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