Kurier

Nicht die Domina spielen In London sind wieder einmal die Königsmörd­er unterwegs

Machtkampf in Regierung und Opposition eskaliert. Labour-Chef Corbyn droht rasche Absetzung

- VON

Boris Johnson galt noch am Donnerstag als fix gebucht für das Amt des Premiermin­isters. Doch wie nicht nur die sondern auch die seriösen politische­n Kommentato­ren deutlich machen, gilt er für viele in der Partei inzwischen als Königsmörd­er, der aus reiner Machtgier die tiefe Spaltung bei den Konservati­ven angezettel­t hat.

Frei nach Shakespear­e

Rund um die Innenminis­terin Theresa May, eine enge Vertraute Camerons und Gegnerin des EU-Austritts, hat sich eine Gruppe von führenden Parteimitg­liedern formiert, die Boris Johnsons Weg an die Partei- und Regierungs­spitze mit allen Mitteln verhindern will. Dazu kommt, dass auch bisherige Verbündete Johnsons, die mit ihm gemeinsam für den EU-Austritt geworben haben, auf einmal ihr durch den Sieg gewachsene­s politische­s Gewicht für eigene Pläne nützen wollen. So denkt etwa Ex-Verteidigu­ngsministe­r Liam Fox plötzlich laut über eine Kandidatur für den Parteivors­itz nach.

Rebellion bei Labour

In Krisensitu­ationen bekommt britische Politik – angetriebe­n von den nur zu gerne Blut riechenden Medien – traditione­ll die Dramatik Shakespear’scher Königsdram­en. Doch durch das Chaos, in das das Land nach dem „Nein“zur EU-Mitgliedsc­haft driftet, wird der politische Machtkampf mit noch größerer Brutalität als sonst geführt.

Nachdem der Premier be- reits gestürzt ist, droht dem Chef der Labour-Opposition, Jeremy Corbyn, möglicherw­eise schon heute das gleiche Schicksal. Der altlinke Corbyn, der sich noch nie so recht für die böse kapitalist­ische EU begeistern konnte, hatte bestenfall­s halbherzig für den Verbleib in der Union geworben.

Grund genug für gewichtige Parteigeno­ssen, offen seinen sofortigen Rücktritt zu fordern – schlimmer noch, ihn quasi mit Gewalt zu erzwingen. Im Stakkato traten am Sonntag die Mitglieder aus Corbyns Schattenka­binett – also die Führung der Opposition rund um den Parteichef – zurück. Corbyn, der sich bis zuletzt entschloss­en zeigte, auf seinem Posten auszuharre­n, steht beinahe ohne Mannschaft da. Mon- tagabend schon trifft sich die Labour-Parlaments­fraktion. Ein inoffiziel­les Misstrauen­svotum gegen Corbyn wird von immer mehr Abgeordnet­en unterstütz­t.

Demos vor Parlament

Die Tage des Parteichef­s scheinen gezählt. Der aber weiß zwar nicht seine Parteispit­ze, dafür aber die Basis hinter sich.

Die hat ihn erst im Vorjahr in einer offenen Revolte gegen die Parteigran­den an die Spitze gehievt – und ist entschloss­en, für ihn zu kämpfen. Wenn am Montag die Abgeordnet­en im Parlament tagen, wird man vor der Tür für Corbyn demonstrie­ren. „Die sollen ruhig zu hören bekommen, wen wir unterstütz­en“, kündigen die Veranstalt­er trotzig an.

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria