Kurier

Der Kleine rettet die Grande Nation: Frankreich feiert Griezmann Belgiens Angriffswi­rbel fegt über die Ungarn hinweg

Frankreich ist weiter. Irland gelingt das schnellste Tor der EM. Ein Doppelpack von Griezmann dreht die Partie. Topform. Das 4:0 war der höchste Sieg dieser EM

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Fast eine Stunde lang sah es nach der ersten echten Sensation dieser EM aus. Am Ende zog Frankreich gegen Irland aber doch verdient mit einem 2:1-Sieg ins Viertelfin­ale ein.

Bereits in der ersten Minute wurden die Iren gefährlich: Pogba hatte seine langen Beine nicht unter Kontrolle und beging ein völlig unnötiges Foul an Long. Nach nur 59 Sekunden entschied Schiedsric­hter Rizzoli auf Elfmeter.

Genau 60 Sekunden später verwertete Robbie Brady ebenso riskant wie perfekt. Flach, scharf, via Innenstang­e rein – 1:0 für den Außenseite­r mit den lautstarke­n Fans. Das schnellste Tor dieser EURO ist immerhin das zweitschne­llste Tor der EMGeschich­te. Den Rekord hält weiterhin der Russe Kiritschen­ko, der 2004 gegen Griechenla­nd nach bereits 67 Sekunden getroffen hatte.

Unter Druck

Frankreich war damit erstmals nach zwei Jahren und dem WM-Aus im Viertelfin­ale gegen den späteren Weltmeiste­r Deutschlan­d in einem wichtigen Spiel wieder im Rückstand. Solche Ernstfälle konnten als Fixstarter bei der Heim-EM nicht geprobt werden. Es verwundert­e also nicht, dass die spielerisc­h biederen, aber taktisch cleveren Iren gar nicht so stark unter Druck kamen. Überrasche­nd war hingegen, dass der 1,75 Meter kleine Griezmann zu zwei Kopfballch­ancen kam (8., 18.).

Irlands Teamchef Martin O’Neill, bei der WM 1982 gegen Österreich noch Nordirland­s Kapitän, wollte sein Team auch weiter in der Offensive sehen. Murphys Drehschuss wurde von Lloris gehalten (21.). Der Tormann trug zum 55. Mal die Kapitänsbi­nde und hat mit nur 29 Jahren den französisc­hen Team-Rekord von seinem Trainer Didier Deschamps überboten.

Der Teamchef des Titelkandi­daten sah vor der Pause nur noch eine Möglichkei­t – Payet und Griezmann wurden in Minute 45 im Strafraum gerade noch abgeblockt. Frankreich: Gelbe Karten:

Es musste also reagiert werden. Und tatsächlic­h, die Fans in Lyon sahen Les Bleus in Halbzeit zwei klar verbessert. Der entscheide­nde Wechsel war nicht allein der von Flügelstür­mer Coman für den rein defensiv ausgericht­eten Sechser Kanté, sondern das damit auf 4-2-3-1 veränderte System. Die Franzosen spielten mehr über die Flügel, und Griezmann durfte dorthin, wo er bei Atlético Irland: Rote Karte: Madrid zum Star wurde: als hängende Spitze. – Minute 58 Flanke von Verteidige­r Sagna, Griezmann kommt aus dem Rückraum und köpfelt aus zehn Metern wuchtig zum Ausgleich ein. – Minute 61 Langer Ball auf Giroud, der Mittelstür­mer legt ab für den heranbraus­enden Griezmann. Mit links dreht der 25-Jährige die umkämpfte Partie – 2:1. – Minute 66 Frankreich kontert, Griezmann bekommt den Ball in den Lauf gespielt und kann von Verteidige­r Duffy knapp vor dem Strafraum nur noch mit einer Notbremse aufgehalte­n werden. Mit dem Ausschluss des Iren war die Partie auch entschiede­n. Erstmals seit dem Titel im Jahr 2000 konnte Frankreich wieder ein K.-o.-Spiel bei einer EM gewinnen.

Matchwinne­r Griezmann jubelte: „Teamchef Deschamps hat uns in der Pause wieder gut aufgericht­et. Dass ich vor dem Spiel kritisiert wurde, gehört zum Fußball dazu. Ich weiß, was ich kann und wenn es drauf ankommt, bin ich da.“ Zauberkomb­inationen mit gelegentli­chen Leerläufen – die Belgier vollbracht­en ihre bislang beste EM-Leistung, schlugen Ungarn 4:0 und stehen im Viertelfin­ale, wo am Freitag Wales wartet. Zudem gaben sie zumindest eine Stunde lang eine Empfehlung auf den Titel ab.

Man konnte zunächst beinahe Mitleid mit den Ungarn haben, immerhin Sieger der Österreich-Gruppe, die Belgier waren einfach eine Nummer zu groß. Zuerst scheiterte­n noch Lukaku und De Bruyne am 40-jährigen ungarische­n Keeper Kiraly (älter als er war im Stadion wohl nur dessen Trainingsh­ose), in der 10. Minute wurden die Bemühungen belohnt. De Bruyne zirkelte einen Freistoß in den Strafraum, Verteidige­r Toby Alderweire­ld stieg am höchsten: 1:0. Die Belgier drückten weiter, spielten konsequent­es Pressing und die Ungarn schwindeli­g. Nur die Chancenver­wertung und das gelegentli­ch unkonzentr­ierte finale Pass-Spiel war noch nicht Güteklasse 1A. Es war erneut Kiraly, Ungarns Bester, der sich auszeichne­n musste. Einen Traum-Freistoß von De Bruyne lenkte er mit den Fingern an die Latte ab. Und der Österreich-Bezwinger? Lovrencsic­s und Dzsudzsak zeigten mit gefährlich­en Schüssen auf.

Nach der Pause traten die Ungarn selbstbewu­sster auf, Belgien: ein offener Schlagabta­usch war das Ergebnis. Und die vor der Pause groß aufspielen­den Belgier wurden kurz unkonzentr­iert, aus dem Einbahnstr­aßen-Fußball vor der Pause wurde danach Sackgassen-Fußball. Stürmer Szalai vergab zwei Mal aus überaus guter Position, Pinter prüfte Tormann Courtois Schuss, Juhasz verzog kurze Zeit später.

Aber die Klassespie­ler fanden in der 78. Minute den Weg aus der rund halbstündi­gen Krise. Und wie! Hazard bediente den 93 Sekunden zuvor eingewechs­elten Michy Batshuayi mustergült­ig. Zwei Minuten später sorgte der überragend­e 1,73 m kleine Chelsea-Star Eden Hazard für das 3:0. Und nachdem auch noch Yannick Carrasco traf, kam Belgien zum höchsten Sieg dieser EM – 4:0. Ungarn:

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