„Sie war eine helfende Hand“
Erinnerungen. Der Verein „Wiener Sozialdienste“wird heuer 70 Jahre alt. Genauso wie seine langjährige Klientin, Renate Kainz. Ein Rückblick.
Gemeinsame Geburtstagsfeier in einem Geriatrischen Tageszentrum in Wien-Meidling, es gibt Kaffee und Kuchen. 70 Jahre sind eine lange Zeit. Im Leben eines Menschen ebenso wie im Leben einer Hilfsorganisation. In diesen 70 Jahren haben sich die Wege der Wienerin Renate Kainz und des Vereins „Wiener Sozialdienste“öfters gekreuzt. Seit dem Jahr 1991 verlaufen sie parallel.
Schöne Geschichten, berührende Momente: Der gemeinnützige Verein betreut seit dem Jahr 1946 im Auftrag der Stadt (heute Fonds Soziales Wien) ältere Menschen und Menschen mit psychischer Beeinträchtigung.
Gute Momente
„Können Sie sich noch an mich erinnern?“, möchte die Behindertenpädagogin Sigrid Kirchner wissen. Sie hat Frau Kainz vor 25 Jahren in einer Wohngemeinschaft im 14. Bezirk betreut. Und sie hat ihr beim Umzug in eine eigene Wohnung geholfen.
Die Angesprochene nimmt einen Schluck Kaffee zu sich. Dann blickt sie lange ins Leere. Sucht nach Erinnerungen. Bis ein Lächeln andeutet, dass sie fündig wurde. Am Ende sagt sie wissend: „Na freilich.“
Es sind Momente wie dieser, die auch den Betreuerinnen guttun. Sigrid Kirchner lächelt. Ihr Beruf ist nicht immer einfach. Schön, wenn ihre tägliche Arbeit nicht unbemerkt bleibt.
Frau Kainz wurde – so wie der Verein – im Jahr 1946 geboren – mit einer psychischen Beeinträchtigung. Die erste Hälfte ihres Lebens musste sie im OttoWagner-Spital verbringen. Mithilfe der Wiener Sozialdienste ist es ihr aber dann gelungen, als hauswirtschaftliche Helferin für die Stadt Wien zu arbeiten und eine eigene Wohnung zu beziehen.
Gemeinsame Zeitreise
Sabine Weiß, Fachbetreuerin in einer basalen Förderklasse auf der Baumgartner Höhe, hat Fotos von früher mitgebracht. Sie erinnert sich gerne an ihre ehemalige Kollegin: „Sie war eine helfende Hand, immer gut gelaunt. Und sie hat ihre Ziele mit großer Konsequenz verfolgt.“Auch in ihrer Wohnung wurde Renate Kainz von Sozialhelfern betreut. Der Verein wurde ein Jahr nach Kriegsende von Beamten der Stadt Wien gegründet und gibt heute rund 1200 Menschen Arbeit. Unterstützt werden sie von 150 bis 200 freiwilligen Helfern. „Unser Angebot konzentriert sich im Wesentlichen auf zwei Bereiche“, erklärt Geschäftsführerin Gisela Kersting-Kristof. Die kleinere Tochtergesellschaft betreut Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung, die Mitarbeiter der größeren Gesellschaft sind in der täglichen Altenbetreuung tätig. Dieses Angebot hat Renate Kainz in den vergangenen fünf Jahren kennen- und schätzen gelernt. Seit 2007 ist sie in Pension, seit 2011 kommt sie regelmäßig in das Geriatrische Tageszentrum des Vereins Wiener Sozialdienste in der Arndtstraße 67. „Sie ist ein sehr geselliger, gefühlsbetonter Mensch, der bei allen Aktivitäten gerne dabei ist“, erklärt Sozialarbeiterin Astrid Gortan. Ihre Wegbegleiterin blickt sie mit großen Augen an, erklärt dann mit einem Strahlen im Gesicht: „Ja, das stimmt.“Im Haus befindet sich auch eine Magistratsabteilung der Stadt Wien, die Flüchtlingen als Anlaufstelle dient. Täglich stehen Menschen bis auf die Straße an. Geschäftsführerin Kersting-Kristof erklärt: „Angesichts der anhaltenden Flüchtlingsthematik denken wir ernsthaft darüber nach, in diesem Bereich ein Angebot zu schaffen. Nicht in der akuten, mehr in der längerfristigen Versorgung.“Längerfristige Beziehungen wirken – wer weiß das besser als all jene, die heuer ihren 70. Geburtstag feiern?