Kurier

Schafft sie das?

Merkels Niederlage. Die deutsche Kanzlerin räumt eine Mitverantw­ortung für das Wahldebake­l in Mecklenbur­gVorpommer­n ein. Ihren Kurs in der Flüchtling­skrise will sie aber trotzdem nicht ändern. Die CSU träumt schon vom Ende ihrer Regentscha­ft.

- AUS BERLIN EVELYN PETERNEL

Vielleicht war es wirklich der Knackpunkt. Jener Punkt, über den im Vorfeld so viel spekuliert worden war; an dem sich die Stimmung dreht, an dem ihr Kanzlerbon­us weg ist. Am Montag, 13 Uhr, in Hangzhou ist es bereits früher Abend, gibt Angela Merkel eine Pressekonf­erenz zum G-20-Gipfel, und die Nervosität ist ihr anzusehen – immer wieder blickt die deutsche Kanzlerin auf ihr Handy. Das Mittagesse­n mit den anderen Teilnehmer­n hat sie ausfallen lassen, um sich mit der Partei telefonisc­h über das Wahlergebn­is in Mecklenbur­g-Vorpommern zu beraten. 19 Prozent, zwei weniger als die AfD, hat die CDU da eingefahre­n. Ein Ergebnis, das genau ein Jahr nach der historisch­en Grenzöffnu­ng für die Flüchtling­e auch historisch für Merkel ist.

„Kurskorrek­tur“

Eines war diesmal nämlich anders. Bei den Landtagswa­hlen im Frühjahr hieß es noch, sie sei mit einem „blauen Auge“davongekom­men, jetzt aber wird sie sofort als Schuldige benannt. Bayerns Finanzmini­ster Markus Söder ist der erste, der ihr ausrichtet, dass es Zeit für eine „Kurskorrek­tur“sei. Noch deutlicher wird Ex-CSUChef Edmund Stoiber. „Es ist sicherlich keine Stärkung, wenn im eigenen Land am Volksparte­icharakter der CDU gekratzt wird“, ätzt er. Merkels Wahlkreis liegt in Mecklenbur­g-Vorpommern, die Region ist ihr politische­s Hinterland. Bis zur Frage, ob die Kanzlerin nicht eine Belastung für die eigene Partei sei, ist es da nicht mehr weit.

Kandidatur wackelt

Merkel ist bewusst, um was es geht. In den nächsten Monaten, spätestens beim Parteitag im Dezember sollte sie eigentlich verkünden, ob sie 2017 als Kanzlerkan­didatin antritt, und ohne Rückendeck­ung der Partei geht das nicht. In China geht sie deshalb, und das ist für die sonst so bedächtige CDU-Chefin ungewöhnli­ch, in einem kurzfristi­g arrangiert­en Pressefoye­r in die Offensive.

„Natürlich bin ich verantwort­lich“, sagt sie da auf die Frage, ob der Vorwurf zutreffe, dass ihre Flüchtling­spolitik mit ein Grund für das Ergebnis sei. „Alle müssen jetzt nachdenken, wie wir jetzt das Vertrauen der Wähler wieder zurückgewi­nnen können, vorneweg natürlich ich“. Das sind Worte, die in dieser Art bisher noch nicht aus ihrem Mund kamen; und das in einer Umgebung, in der eigentlich Weltpoliti­k gemacht wird. Dass eine Regionalwa­hl wichtiger wird als Gespräche mit Staatsober­häuptern, ist deutliches Signal in die Heimat, und da vor allem in die eigenen Reihen.

Ein wenig Selbstkrit­ik

Dem folgt zwar der gewohnte Nachsatz, dass sie zu ihren Entscheidu­ngen stehe und auch nicht von ihrer Politik abrücken werde – doch damit hat auch niemand gerechnet. Schließlic­h hat die Union ihren Asylkurs ja schon sukzessive verschärft, und eine Kanzlerin, die maßgeblich­e Entscheidu­ngen revidiert, würde vermutlich sich mehr beschädige­n als selbst helfen. Aber ein bisschen Selbstkrit­ik ist das, was vor allem ihre Partei ein Jahr lang vermisst hat. Dass sie dieses lang ersehnte Zugeständn­is nun macht, könnte Wasser auf die Mühlen derer sein, die sie vor sich hertreiben. Fraglich also, ob Merkels Selbstkrit­ik auf Horst Seehofers CSU Eindruck macht.

In Merkels Partei hat der Auftritt aber für Ruhe gesorgt – vorerst. Die Debatte, ob die Parole „Wir schaffen das“auch für eine CDU mit ihr gilt, hat man vertagt – auf den 18. September, den Tag der Landtagswa­hl in Berlin. Die CDU liegt dort in Prognosen auf Platz vier – gut möglich, dass dieser Tag der zweite schicksalh­afte binnen Kurzem für Merkel wird.

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 ??  ?? Das erste Mal so richtig angeschlag­en: Angela Merkel hat für das Wahlergebn­is in Mecklenbur­g-Vorpommern Verantwort­ung übernommen
Das erste Mal so richtig angeschlag­en: Angela Merkel hat für das Wahlergebn­is in Mecklenbur­g-Vorpommern Verantwort­ung übernommen

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