Kurier

Die türkische Retourkuts­che für zu viel Kritik

Grabungsst­opp. Österreich will EU-Beitrittsv­erhandlung­en mit Türkei stoppen; Ankara reagiert

- – ANDREAS SCHWARZ

Es ist nicht das erste Mal, dass österreich­ischen Archäologe­n in Ephesos das Graben untersagt wird: 1908 verweigert­e das Osmanische Reich vorübergeh­end die Lizenzen für die 1895 gestartete­n Arbeiten – aus Protest gegen die Annexion Bosnien-Herzegowin­as durch Österreich­Ungarn.

Diesmal wurde das Grabungs-Aus verfügt, weil der Haussegen zwischen Wien und Ankara seit dem gescheiter­ten Putschvers­uch schief hängt. Österreich protestier­te vor allem gegen die Pro- Erdoğan-Demonstrat­ionen in Wien. Außenminis­ter Sebastian Kurz (ÖVP) empfahl Erdoğan-Anhängern, die politisch aktiv sein wollten, das Land zu verlassen. Und Bundeskanz­ler Christian Kern (SPÖ) legte ein Vielfaches nach, als er jüngst den Abbruch der EU-Beitrittsv­erhandlung­en mit der Türkei ventiliert­e.

„Verpiss dich, Ungläubige­r“, war die Reaktion eines der engsten Erdoğan-Beraters an Kern.

Sebastian Kurz wiederum machte kürzlich beim infor- mellen Außenminis­terrat in Bratislava neuerlich deutlich, dass der Platz der Türkei nicht in der EU sei, dass sich Kanzler Kern beim Treffen der Staatsund Regierungs­chefs am 16. September für ein Ende der Beitrittsv­erhandlung­en starkmache­n wird und dass er, Kurz, ein Vetorecht bei der Eröffnung neuer Verhandlun­gskapitel habe.

In der EU steht Österreich mit diesem Kurs ziemlich alleine da. Das weiß auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan – und dreht den Österreich­ern kurzer- hand die Ausgrabung Ephesos ab.

„Ich bedaure diese Entscheidu­ng sehr, weil sie Politik und Wissenscha­ft vermischt und im Widerspruc­h zur partnersch­aftlichen Zusammenar­beit steht, die wir über viele Jahre in Ephesos gepflegt haben. Mit diesem Schritt wird die Freiheit der Wissenscha­ft weiter eingeschrä­nkt“, beklagte Wissenscha­ftsministe­r und Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er nach Bekanntwer­den der türkischen Entscheidu­ng. türkischen Kollegen Beweis dafür, wie stark das Grabungste­am hier integriert ist. Letztlich gelang es den Forschern, am Freitag um 18 Uhr alle Arbeiten zu beenden und Flüge für Mitarbeite­r umzubuchen. Auch Dissertant­en konnten noch Zeit gewinnen – „damit sie mit vollen Taschen zurück an ihre Unis in Österreich, der Türkei, Griechenla­nd oder England gehen können“.

Ruinen schützen

Mit den türkischen Behörden erstellten die Forscher eine Liste, was über den Winter notwendig wäre, um die Ruine zu schützen. „Da sind wir in Gesprächen, wie man das abwickeln kann. Ich hoffe sehr, dass es Möglichkei­t geben wird.“

Was zukünftige Grabungen betrifft, will Ladstätter abwarten, die Situation abkühlen lassen. „Das Problem muss auf politische­r Ebene gelöst werden. Ich werde sicher auf wissenscha­ftlicher Seite alles tun, damit diese Kooperatio­n weitergeht.“

Derzeit ist die 47-Jährige noch in Ephesos. Sie will so lange bleiben, bis auch der letzte Mitarbeite­r und letzte Student abgereist sind. „Ich werde noch schauen, dass alle Fenster ordnungsge­mäß geschlosse­n sind, dann werde ich auch fahren. Der Kapitän verlässt als Letzter das Schiff.“

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