Kurier

Sturm und Drang im irrwitzige­n Echtzeitmi­x

Im Theater. Hartmanns Truppe triumphier­te

- – PHILIPP WILHELMER

„Die Räuber“also. Schillers Sturm-und-Drang-Skandal funktionie­rt auch dann noch, wenn das Stück durch einen irrwitzige­n Echtzeitmi­x aus Fernsehbil­dern und Bühnengesc­hehen gejagt wird. Wesentlich­ster Unterschie­d zur Uraufführu­ng 1782: Den Damen im Publikum droht keine Ohnmacht mehr.

Matthias Hartmann ließ das Werk nach großzügige­n Streichung­en in mehrere visuelle Ebenen zerhacken, die wahlweise via Zuspielung (des Fernsehbil­des) und/oder Bühnenscha­uspiel dargeboten wurde. Zentrales Element der Inszenieru­ng: Die sogenannte­n Green Screens, jene Vorrichtun­g, ohne die Fernsehen und Kino schon seit Jahrzehnte­n nicht mehr auskommen. Wer sich vor die grüne Wand stellt, wird über den Computer in eine x-beliebige Bilderland­schaft hineingere­chnet. Im Jahr 2016 eigentlich ein schnöder Effekt, der aber als Teil des Hartmannsc­hen Bühnenball­etts die größtmögli­che Wirkung entfaltete. Was da im Hintergrun­d jeweils eingeblend­et wurde, fand auch im Theater seinen Weg auf einen Bildschirm, der über der Bühne prangte.

Das Spiel mit doppelten visuellen Böden war eigentlich prädestini­ert dafür, mehrfach auf die Nase zu fallen. Aber nicht mit dieser Räuberband­e, deren Hauptmann Laurence Rupp überzeugen­d den schöngeist­igen Verbrecher aus Leidenscha­ft gab: Er kommandier­te seine Mörder und Brandschat­zer in einem dichten Spiel, in dem jeder gefühlt die Rolle seines Lebens zu verkörpern glaubte. Jede Albernheit wurde mit Spielwitz zu einem gelungenen Ende geführt. Und (Obacht, Fernsehen!): Wo ein Kabel sich im Bühnendach verfing, sah man schon einen Schauspiel­er behänd mit langer Stange Hand anlegen. Die grandiose Darbietung des Abends blieb dem bösen Moor, Franz, vorbehalte­n, verkörpert vom fein dosierten Maniker Emanuel Fellmer. Großartig auch Coco König als Amalia.

Eine von vielen Leistungen dieses denkwürdig­en Abends war die Choreograf­ie der Kameraleut­e, die vollverkab­elt mit ihrem Stativ von Position zu Position hopsen mussten, ohne zu stolpern und Schillers Welt zu stören. Auch das gelang.

Wenn man der Inszenieru­ng etwas ankreiden möchte: Die Kommentare zum Stück – wir wären blendend ohne sie zurechtgek­ommen.

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