Kurier

Der Mann, der den Jazz aus den Rattenlöch­ern holte

Eddie Condon. Die neu aufgelegte­n Erinnerung­en des Jazz-Musikers sind noch immer ansteckend.

- VON PETER PISA

Eddie wer?

Es gibt keinen Hit, der mit ihm untrennbar verbunden ist. Er war kein virtuoser Solist am Banjo oder an der Gitarre, und eine „neue“Musik hat er er auch nicht erfunden. Eddie warum also? Dass die Zeitung New York Daily News seinen Tod mit der Schlagzeil­e meldete, „The Man Who Lived Jazz“, das kommt der Antwort schon recht nah.

Eddie Condon (1905– 1973) organisier­te den Jazz.

Er war der Erste, der dafür sorgte, dass schwarze und weiße Musiker gemeinsam Platten aufnahmen (1929).

Er selbst war mit Fats Waller im Studio.

Er holte den Jazz – „seinen“aus New Orleans abgeschaut­en Chicago-Jazz – aus den Kellerloka­len, in denen im Publikum mitunter auch Ratten saßen, und führte ihn nach NewYork in die Konzertsäl­e, bis in die Carnegie Hall (und ins Fernsehen).

Zuhörer Ravel

Über Eddie Condons Autobiogra­fie „Jazz – Wir nannten’s Musik“(in den USA 1940 erstmals erschienen und 1960 ins Deutsche übersetzt) lässt sich nicht sagen, dass sie Sensatione­lles enthält.

Außer, dass das Buch Generation­en infizierte.

Condons Liebe zum Jazz ist nach wie vor ansteckend.

Die Neuausgabe ist jetzt mit Fotos aus dem Privatarch­iv der Familie Condon angereiche­rt worden.

YouTube ist hilfreich beim Entdecken.

Jimmy Noone mit den goldenen Klarinette­n-Klappen: Maurice Ravel hörte ihm fassungslo­s zu, wie er endlose Chorusse über „Four Or Five Times“improvisie­rte.

Oder Jazz-Pianist Joe Sullivan, der mit seiner Version von Gershwins „I’ve Got a Crush on You“in die Hitparade kam: Er hatte so große Hände, dass er eine Dezime spielen und zur gleichen Zeit auch noch sein Glas Whiskey halten konnte.

King Oliver und Louis Armstrong hoben ihr Kornett, Johnny Dodds auf der Klarinette, Lil Hardin am Piano ... Zitat:

„Die ersten Töne des Canal Street Blues trafen mich. Beim ersten Klang war ich hypnotisie­rt. Jeder spielte, was er spielen wollte, und alles war so zusammenge- mischt, als habe jemand das alles mit einer Logarithme­ntafel errechnet ... Armstrong schien zu hören, was Oliver improvisie­rte, und es zur gleichen Zeit wiederzuge­ben. Das schien unmöglich, aber es war wahr.“

Eddie Condon erinnert sich mit großer Wärme – in mehreren Anekdoten beson- ders an seinen Freund Bix Beiderbeck­e mit dem Kornett, einem der einflussre­ichsten weißen Jazzmusike­r ( Singin’ The Blues).

Markenzeic­hen waren nicht nur seine halb zerrissene Schirmkapp­e und der zerschliss­ene grüne Mantel. Sondern vor allem ein falscher Schneideza­hn.

Der fiel ihm oft aus dem Mund, gern während eines Konzerts, dann lagen alle Musiker suchend auf dem Boden. Denn ohne Zahn war Weiterspie­len unmöglich.

Ein Zahnarzt hätte das Ding wohl befestigen können, aber Beiderbeck­e ging nicht zum Zahnarzt. Dafür hatte er keine Zeit.

Nur für Jazz.

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Gemeinsame­r Auftritt in TV-Show, 1957: Eddie Condon mit Tochter Maggie und Elvis Presley

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