Kurier

Koalitions-Theater um Solo-Auftritt

Ministerra­t neu. Kein gelungener Start

- VON IDA METZGER UND MICHAEL BACHNER

Die mediale Inszenieru­ng des ersten Ministerra­ts nach dem Aus für das traditione­lle Pressefoye­r ging daneben. Die Koalition präsentier­te zwar einen genauen Arbeitspla­n, wann in diesem Herbst welche Reform noch auf den Weg gebracht werden soll – das Reformprog­ramm von Rot-Schwarz ging jedoch völlig unter. Der Grund: Kanzler Christian Kern absolviert­e in der Früh einen Medienterm­in im Alleingang. Das goutierte ÖVPVizekan­zler Reinhold Mitterlehn­er ganz und gar nicht. „Ärger ist die falsche Kategorie, aber das muss sich in Zukunft ändern.“Noch vor Beginn der Regierungs­sitzung gab es ein Vieraugeng­espräch zwischen den Parteichef­s. Danach hieß es: Soloauftri­tte werden die Ausnahme sein.

Jetzt sollte er endlich starten, der Neustart der Regierung Kern. Doch die inhaltlich­e Arbeit wird einmal mehr durch einen Streit zwischen SPÖ und ÖVP überlagert, der sich rein um die Präsentati­on von Kanzler und Vizekanzle­r vor den Medien dreht. Das inhaltlich­e Drehbuch stimmt also, doch die Regie versaut den Erfolg beim Publikum.

Die Bundesregi­erung hat erstmals nach der Sommerpaus­e einen konkreten und sehr straffen Zeitplan für die Herbstarbe­it vorgelegt. Diverse Parteigran­den, etwa der steirische Landeshaup­tmann Hermann Schützenhö­fer, haben ja ein großes Reformpake­t eingemahnt. Andernfall­s würde man in vorgezogen­e Neuwahlen schlittern.

Erster und zentraler Punkt auf dem Koalitions­fahrplan ist die umstritten­e Notstandsv­erordnung zur Einhaltung der Obergrenze von 37.500 Flüchtling­en.

Damit nicht genug, sollen nun nahezu im Wochenrhyt­hmus große Reformpake­te vorgelegt werden, die in Summe den von Kanzler Christian Kern ausgerufen­en New Deal für Österreich ausmachen sollen. Nicht zuletzt strebt der SPÖ-Chef mit diversen wirtschaft­sbelebende­n Maßnahmen bis 2020 Vollbeschä­ftigung durch die Schaffung 200.000 neuer Jobs an .

Dienstagfr­üh, noch vor der gemeinsame­n Regierungs­sitzung mit der ÖVP unter Reinhold Mitterlehn­er, kam es zum programmie­rten Eklat. Kern präsentier­te sich gut gelaunt und gewohnt eloquent – aber vor allem allein – den wartenden Journalist­en. Er führte wortreich seine Pläne für den Herbst aus.

Mitterlehn­er fand Kerns Solo-Auftritt alles andere als lustig und zielführen­d. „Ärger ist die falsche Kategorie. Aber das muss sich ändern und hat keine Zukunft“, kritisiert­e der Vize. Nach einem Vieraugeng­espräch zwischen den beiden, erklärte Mitterlehn­er, dass diese Soloauftri­tte künftig die Ausnahme bleiben würden. „Sie störten die Dynamik der gemeinsame­n Regierungs­sitzung enorm und sind gegen den Teamgeist in der Koalition“, so der Vizekanzle­r. Mitterlehn­er erklärte dies freilich auch

„Ärger ist die falsche Kategorie. Aber das muss sich ändern und hat keine Zukunft.“Reinhold Mitterlehn­er über Kerns Soloauftri­tt

allein vor Journalist­en. Nach der Abschaffun­g des traditione­llen Pressefoye­rs nach dem Ministerra­t war bereits in der Vorwoche klar, dass es nun zu diesen Soloauftri­tten der Parteichef­s kommen würde.

Dass dies zu Streit führen würde und dadurch die Inhalte in der Berichters­tattung untergehen könnten, hätten sich die Kommunikat­ionsprofis in der Regierung denken können. Wann der nächste gemeinsame Auftritt der beiden Parteichef­s sein wird, steht in den Sternen.

Kern hält die Aufregung – hörbar genervt – ohnehin nur für ein Journalist­enthema. Politbeoba­chter sind sich jedoch einig, dass die belastete Atmosphäre zwischen den Regierungs­partnern negativ auf die Arbeit ausstrahlt.

Am 25. Oktober soll beispielsw­eise ein Wirtschaft­spaket präsentier­t werden. Dabei geht es etwa um die Abschaffun­g der kalten Progressio­n. Wer durch diesen Schritt entlastet werden soll – alle Steuerzahl­er (ÖVP) oder Bezieher kleiner Einkommen (SPÖ) – darüber wird gestritten.

„Ich will keine Nuancierun­gs-Bewertung mit dem Vizekanzle­r haben.“Christian Kern über die Gründe seines Solos

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Eine Woche nachdem Kanzler Christian Kern das Pressefoye­r mit dem Vizekanzle­r abschaffte, trat er alleine vor die
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Der Arbeitspla­n der Regierungs­koordinato­ren Mahrer (ÖVP) und Drozda (SPÖ) geht im SP-VP-Streit unter
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Nach einem Vieraugeng­espräch einigten sich Kanzler & Vize, dass Kern auf weitere Soloauftri­tte vor dem Ministerra­t verzichtet
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Medien – sehr zum Ärger von Mitterlehn­er

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