Koalitions-Theater um Solo-Auftritt
Ministerrat neu. Kein gelungener Start
Die mediale Inszenierung des ersten Ministerrats nach dem Aus für das traditionelle Pressefoyer ging daneben. Die Koalition präsentierte zwar einen genauen Arbeitsplan, wann in diesem Herbst welche Reform noch auf den Weg gebracht werden soll – das Reformprogramm von Rot-Schwarz ging jedoch völlig unter. Der Grund: Kanzler Christian Kern absolvierte in der Früh einen Medientermin im Alleingang. Das goutierte ÖVPVizekanzler Reinhold Mitterlehner ganz und gar nicht. „Ärger ist die falsche Kategorie, aber das muss sich in Zukunft ändern.“Noch vor Beginn der Regierungssitzung gab es ein Vieraugengespräch zwischen den Parteichefs. Danach hieß es: Soloauftritte werden die Ausnahme sein.
Jetzt sollte er endlich starten, der Neustart der Regierung Kern. Doch die inhaltliche Arbeit wird einmal mehr durch einen Streit zwischen SPÖ und ÖVP überlagert, der sich rein um die Präsentation von Kanzler und Vizekanzler vor den Medien dreht. Das inhaltliche Drehbuch stimmt also, doch die Regie versaut den Erfolg beim Publikum.
Die Bundesregierung hat erstmals nach der Sommerpause einen konkreten und sehr straffen Zeitplan für die Herbstarbeit vorgelegt. Diverse Parteigranden, etwa der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer, haben ja ein großes Reformpaket eingemahnt. Andernfalls würde man in vorgezogene Neuwahlen schlittern.
Erster und zentraler Punkt auf dem Koalitionsfahrplan ist die umstrittene Notstandsverordnung zur Einhaltung der Obergrenze von 37.500 Flüchtlingen.
Damit nicht genug, sollen nun nahezu im Wochenrhythmus große Reformpakete vorgelegt werden, die in Summe den von Kanzler Christian Kern ausgerufenen New Deal für Österreich ausmachen sollen. Nicht zuletzt strebt der SPÖ-Chef mit diversen wirtschaftsbelebenden Maßnahmen bis 2020 Vollbeschäftigung durch die Schaffung 200.000 neuer Jobs an .
Dienstagfrüh, noch vor der gemeinsamen Regierungssitzung mit der ÖVP unter Reinhold Mitterlehner, kam es zum programmierten Eklat. Kern präsentierte sich gut gelaunt und gewohnt eloquent – aber vor allem allein – den wartenden Journalisten. Er führte wortreich seine Pläne für den Herbst aus.
Mitterlehner fand Kerns Solo-Auftritt alles andere als lustig und zielführend. „Ärger ist die falsche Kategorie. Aber das muss sich ändern und hat keine Zukunft“, kritisierte der Vize. Nach einem Vieraugengespräch zwischen den beiden, erklärte Mitterlehner, dass diese Soloauftritte künftig die Ausnahme bleiben würden. „Sie störten die Dynamik der gemeinsamen Regierungssitzung enorm und sind gegen den Teamgeist in der Koalition“, so der Vizekanzler. Mitterlehner erklärte dies freilich auch
„Ärger ist die falsche Kategorie. Aber das muss sich ändern und hat keine Zukunft.“Reinhold Mitterlehner über Kerns Soloauftritt
allein vor Journalisten. Nach der Abschaffung des traditionellen Pressefoyers nach dem Ministerrat war bereits in der Vorwoche klar, dass es nun zu diesen Soloauftritten der Parteichefs kommen würde.
Dass dies zu Streit führen würde und dadurch die Inhalte in der Berichterstattung untergehen könnten, hätten sich die Kommunikationsprofis in der Regierung denken können. Wann der nächste gemeinsame Auftritt der beiden Parteichefs sein wird, steht in den Sternen.
Kern hält die Aufregung – hörbar genervt – ohnehin nur für ein Journalistenthema. Politbeobachter sind sich jedoch einig, dass die belastete Atmosphäre zwischen den Regierungspartnern negativ auf die Arbeit ausstrahlt.
Am 25. Oktober soll beispielsweise ein Wirtschaftspaket präsentiert werden. Dabei geht es etwa um die Abschaffung der kalten Progression. Wer durch diesen Schritt entlastet werden soll – alle Steuerzahler (ÖVP) oder Bezieher kleiner Einkommen (SPÖ) – darüber wird gestritten.
„Ich will keine Nuancierungs-Bewertung mit dem Vizekanzler haben.“Christian Kern über die Gründe seines Solos