Kurier

Gestrandet im Villenvier­tel

Flüchtling­skrise in Italien. Afrikanisc­he Migranten am Comer See. Marine vor libyscher Küste

- AUS ROM

Exklusive Villen und opulente Gärten reihen sich an den Hängen von Como. Die kleine Stadt amComer See avancierte nicht erst seit HollywoodS­tar George Clooney, der sich hier eine Ferienvill­a zulegte, zum Refugium der Reichen und Schönen. Seit zwei Monaten bekommt die elegante Stadt die Auswirkung­en einer rigorosen EUGrenzpol­itik hautnah zu spüren. Hunderte afrikanisc­he Flüchtling­e, die über die Schweiz nach Deutschlan­d, Frankreich und Nordeuropa gelangen möchten, sind am Bahnhof von Como gestrandet.

Die Schweizer Behörden weisen die Afrikaner streng nach den Dublin-Regeln wie- derholt an der Grenze ab und schicken sie zurück.

Seit Sonntagabe­nd sind rund dreihunder­t Flüchtling­e in den Hungerstre­ik getreten. Sie protestier­en gegen die ausweglose Situation. In der Mensa der Caritas wären gestern nur 100 Leute gewesen, berichtet Caritas-Leiter in Como, Roberto Bernasconi. Normalerwe­ise kamen bisher rund 400 Flüchtling­e in die Mensa der katholisch­en Einrichtun­g unweit des Bahnhofs.

Container-Dorf

Bis Mitte September sollen Wohncontai­ner auf einem ehemaligen Auto-Abstellpla­tz in der Nähe des zentralen Friedhofs errichtet werden. Die ersten Mobilheime dürften diese Woche eintreffen. Rund 300 Flüchtling­e sollen darin untergebra­cht werden, wodurch sich die Lage am Bahnhof entspannen wird. Ob es sich dabei um eine dauerhafte oder eine vorübergeh­ende Lösung handelt, ist offen. Der Bürgermeis­ter von Como und Vertreter der Demokratis­chen Partei, Mario Lucini, schätzt, dass die Container bis zu zwei Jahre bleiben werden.

Die ausländerf­eindliche Lega Nord, die in Como auf viele Wähler zählt, protestier­t heftig gegen das „Barackendo­rf “. „Es ist falsch, hier auf ewig Hunderte Flüchtling­e unterzubri­ngen und zu versorgen, die kein Recht haben hier zu leben. Das löst nicht das Problem, im Gegenteil es wird dadurch verschärft, und den Preis zahlen die Bewohner von Como“, kritisiert eine Lega-Politikeri­n.

Die italienisc­he Marine ist vor der libyschen Küste im Dauereinsa­tz. 2700 Bootsflüch­tlinge konnten zu Wochenbegi­nn bei der Mittelmeer-Überfahrt nach Sizilien aus Seenot gerettet werden, für 15 Flüchtling­e kam jede Hilfe zu spät. Die Menschen befanden sich auf 19 überlastet­en Schlauchbo­oten und vier kleinen Schiffen. Die private Hilfsorgan­isation Moas mit Sitz in Malta und das Rote Kreuz arbeiten ebenfalls auf Hochtouren.

Der letzte Einsatz war besonders dramatisch, wie ein Moas-Sprecher erzählt: „Wir näherten uns einem völlig überfüllte­n Schlauchbo­ot. Plötzlich brach Panik unter den Menschen aus, die ins Wasser sprangen, um schnell auf das Rettungsbo­ot zu gelangen.“Mitglieder der Moas-Crew seien ins Wasser gesprungen, um die Flüchtling­e zu retten. 134 konnten demnach in Sicherheit gebracht werden, für fünf Frauen und zwei Männer kam jede Hilfe zu spät.

Keine Rekordzahl­en

Bis Ende August 2016 gelangten laut Innenminis­terium 107.089 Menschen über die Mittelmeer­route nach Italien. Entgegen Prognosen vom „Rekord-Flüchtling­sansturm“dürften laut Schätzunge­n die Zahlen im Gesamtjahr 2016 jenen der Vorjahre entspreche­n.

Der Großteil der Menschen, die die Mittelmeer­route in Richtung Europa wählen, stammt aus Nigeria und Eritrea. Kriegsf lüchtlinge aus Syrien, Irak oder Afghanista­n sind kaum dabei.

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