Kurier

Dreikampf der Weltmächte um Nachfolge in Taschkent

Usbekistan. Der Tod von Langzeitdi­ktator Karimow schafft ein Vakuum, das Russland, China und die USA zu füllen trachten.

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Als sich im abgelegene­n Ferghana-Tal 2005 Widerstand formierte und Menschen zu Tausenden auf die Straße gingen, hatte Präsident Islam Karimow eine grausame Antwort darauf: Er ließ in die Menge schießen. Hunderte Menschen starben. Und auch als die Islamische Bewegung Usbekistan­s (IMU) im Jahr 2000 in Teilen Usbekistan­s einfiel, wusste Karimow, was zu tun ist: Er wies die Armee an, ganze Dörfer auszuradie­ren. Politische Gegner ließ Karimow im besten Fall inhaftiere­n – oder, so wurde wiederholt berichtet, kochen. Widerspruc­h war keine Sache, die er auch nur im Geringsten duldete. Jetzt ist er nach 27-jähriger Herrschaft tot.

Russlands Präsident Wladimir Putin war der erste Staatschef, der dem Land nach dem Tod Karimows am Dienstag seine Aufwartung machte. Um dem Verstorben­en Respekt zu erweisen, wie er sagte – und freilich auch, um zu sondieren, wer Karimow nachfolgen wird. Er bot dem Land die Unterstütz­ung Russlands an und äußerte vor allem eine Hoffnung: Dass die Region stabil bleiben werde.

Verfassung hat nicht iel Ge icht

Einen Favoriten hat Moskau: Premier Shawkat Mirziyoyew, dem gute Kontakte nach Russland nachgesagt werden. Er führte das Komitee zu Karimows Beerdigung, womit er laut Sowjet-Tradition der Nachfolger wäre. Dass dem so ist, ist aber nicht ausgemacht.

Aktuell führt Parlaments­präsident Nigmatilla Yuldashew gemäß Verfassung die Geschäfte – laut Grundgeset­z bis zu Wahlen. Wahlen waren in dem Land bisher aber Nebensache. Und dass die Verfassung in Zentralasi­en bestenfall­s ein Leitfaden ist, hat das Beispiel Turkmenist­an gezeigt. Da wurde die Nachfolge von Diktator Nyyazow 2006 intern geregelt und nicht nach Verfassung.

Als Favorit für die Nachfolge Karimows gilt indes auch Rustam Inoyatow, Chef der Geheimpoli­zei – einer der wichtigste­n Männer im inneren Zirkel. Und schließlic­h sind da auch die beiden Töchter Karimows.

Es ist dabei aber nicht nur Putin, der auf die Nachfolge Einfluss nehmen will. Auch China hat ein Interesse an einem genehmen Nachfolger. Stichwort: Gaslieferv­erträge. Und auch die USA, die Usbekistan als Partner in der Region betrachten – vor allem wegen der Grenze zu Afghanista­n.

In den vergangene­n Jahren jedenfalls hatte Karimow außenpolit­isch einen Schlingerk­urs gefahren – ein Wechselspi­el aus Annäherung und Distanz in alle Richtungen. Usbekistan schied aus dem russisch dominierte­n Kollektive­n Verteidigu­ngsbündnis OVKS aus und weigerte sich, der Eurasische­n Union beizu- treten. Zugleich wurden den USA und der NATO für den Afghanista­n-Krieg die Nutzung von Basen angeboten – um sie ihnen später wieder zu verweigern.

Karimow verstand es, die Ethnien und Interessen­sgruppen in dem 31-Millionen-Einwohner-Staat mit brutalen Methoden gegeneinan­der auszuspiel­en. Das jetzt entstanden­e Vakuum könnte daher ungeahnte Energien freisetzen. Nicht zuletzt bestand und besteht auch die Gefahr, dass sich Islamisten die latente Unzufriede­nheit mit der wirtschaft­lichen Lage zunutze machen. Usbekistan­s wichtigste Wirtschaft­szweige sind der Gashandel sowie Rücküberwe­isungen von usbekische­n Gastarbeit­ern in Russland. Der Gaspreis ist niedrig. Das trifft Usbekistan, aber auch Russland.

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