Kurier

Die Angst der Chinesen in Migrantenv­ierteln

Frankreich. Asiaten werden von Jugendlich­en aus anderen Migrantenf­amilien überfallen

- AUS PARIS DANNY LEDER

Nur wenige wissen es, aber Paris ist die größte „chinesisch­e Stadt“Europas: Mehrere innerstädt­ische Viertel und Vororte wurden von Einwanderu­ngswellen aus China, Vietnam, Kambodscha und Laos geprägt. Neuerdings leiden Franko-Asiaten in Migrantenv­ierteln unter einer Welle immer brachialer­er kriminelle­r Angriffe.

Am vergangene­n Sonntag entlud sich ihre Empörung in einem Aufmarsch Zehntausen­der Personen. „In meinem Bekanntenk­reis gibt es niemanden, der nicht schon überfallen wurde“, erzählt ein junger Demonstran­t. Eine neben ihm marschiere­nde Ärztin berichtet: „Ich muss täglich Opfer von Angriffen versorgen. Schwangere Frauen, Kinder, alte Leute, die misshandel­t wurden. Früher wollten die Angreifer nur an Handtasche­n, Handys und vermutetes Bargeld heran. Aber jetzt kommt es zu Gewaltorgi­en.“

Das Fass zum Überlaufen brachte der Tod eines 49-jährigen Schneiders, Shaolin Zhang, Anfang August. Der Mann war mit einem Freund im Vorort Aubervilli­ers unterwegs, als sie von drei – inzwischen festgenomm­enen – Jugendlich­en angegriffe­n wurden. Diese schlugen auf den Freund ein und versuchten ihm seine Umhängetas­che zu entreißen. Zhang ging dazwischen, bekam einen Fußtritt ins Brustbein versetzt und schlug hart auf dem Boden auf. Er starb nach fünf Tagen im Koma. In der erbeuteten Tasche befanden sich Bonbons, Brillen und Zigaretten.

„Wir sind Opfer eines rassistisc­hen Klischees, das besagt, dass wir alle reich wären. Wir würden allesamt viel Bargeld mit uns tragen. Aber die meisten, die in den Vororten wohnen sind arm, sonst würden sie wegziehen“, erklärt Rui Wang, Vorsitzend­er „Vereinigun­g der jungen Chinesen Frankreich­s“.

Der Tatort, die Vorstadt Aubervilli­ers, ist zu einem europaweit bekannten, dynamische­n Zentrum für Konfektion geworden, das vornehmlic­h Migranten aus der chinesisch­en Region Wenzhou hochgestem­mt haben. Einige Einwandere­r sind zu Reichtum gekommen, aber vor Ort wohnen hauptsächl­ich Kleinunter­nehmer, Angestellt­e und Tagelöhner.

Der vormalige SP-Bürgermeis­ter hat die Partnersch­aft mit Wenzhou gezielt vorangetri­eben und aus dem Pariser Vorort eine wichtige Handelspla­ttform gemacht. Aber die nunmehrige Kriminalit­ät bedroht den Standort. Die jetzige KP-Bürgermeis­terin, die Franko-Maghrebine­rin Meriem Der- kaoui, die an der Demo teilnahm, beklagt einen Mangel an Polizeiprä­senz. Innenminis­ter Bernard Cazeneuve hat mehr Polizei versproche­n.

Front National lauert

Dass aber die asiatische­n Migranten fast ausschließ­lich von Jugendlich­en und Halbwüchsi­gen aus maghrebini­schen und afrikanisc­hen Familien (ihre Nachbarn) angegriffe­n werden, öffnet die Tore für gefährlich­e Spannungen. Der „Front National“liegt bereits auf der Lauer und bescheinig­t den Franko-Chinesen eine „erfolgreic­he Integratio­n“– will heißen: im Gegensatz zu anderen Einwandere­rgruppen. Der Slogan der Chinesen: „Keine Brüderlich­keit ohne Sicherheit!“

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Asiaten fürchten sich vor Jugendlich­en mit nordafrika­nischem Hintergrun­d: Überfälle häufen sich – Chinesen werden für reich gehalten
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Der 49-jährige Schneider Shaolin Zhang starb nach einem Überfall

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