Kurier

Kniefall vor Orthodoxen: Sabbat-Ruhe auf Bahnbauste­llen sorgte für Verkehrsch­aos

- – SUSANNE BOBEK

Posse. Die Bauarbeite­r auf insgesamt 20 Baustellen waren schon da, um dringend notwendige Gleisarbei­ten zu erledigen. Auch die Sondergene­hmigungen waren erteilt, dass am Sabbat gearbeitet werden darf. Doch dann entschied Premiermin­ister Benjamin Netanjahu exakt fünf Minuten vor Sabbat-Beginn persönlich, dass die vorgesehen­en Bauarbeite­n nicht stattfinde­n dürften. Die Arbeiter wurden wieder heimgeschi­ckt.

Die Opposition wirft dem Regierungs­chef jetzt die Kapitulati­on vor den Ultra-Orthodoxen vor, ohne die er nicht regieren könnte. Die hatten gegen die „Entheili- gung der Sabbatruhe“gewettert – und sich durchgeset­zt.

Nur diesmal sind die Israelis extrem zornig. Denn zu Wochenbegi­nn, als die lang geplanten Bauarbeite­n nachgeholt werden mussten, fielen zum Beispiel alle Züge zwischen Tel Aviv und Haifa aus. Auf den überfüllte­n Straßen herrschte Chaos. Viele Soldaten kamen zu spät in ihre Kasernen. Es sind genau jene Soldaten und Soldatinne­n aus Tel Aviv und Umgebung, die nicht besonders religiös sind, aber für die UltraOrtho­doxen, die sich vornehmlic­h dem Thora- und Talmud-Studium widmen, den Kopf hinhalten müssen.

Der Konflikt zwischen sä- kularen Israelis und Orthodoxen köchelt schon seit langem vor sich hin. Demografis­ch betrachtet sind die Orthodoxen im Aufwind. Die frommen Jüdinnen bekommen im Schnitt 6,5 Kinder, obwohl ihre Männer meist nicht arbeiten, weil sie beten müssen. Für die Säkularen ist das ein ständiges Ärgernis, sie zahlen hohe Steuern, haben im Schnitt drei Kinder und ihre Frauen gehen wie selbstvers­tändlich ihren Berufen nach.

Die Pendler müssen sich am Wochenende auf die nächste Posse gefasst machen, denn die Gleisarbei­ten sind noch nicht beendet.

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