Kurier

Schräger Lockvogel im Einsatz

Prozess. Verfahren wegen Drogenverk­aufs steht wegen eines Polizei-Spitzels auf der Kippe

- VON (Anm. der Lockvogel)

Rühmlich ist es nicht, aber Ivan M. hatte laut Akt eine Betrügerei geplant. Jetzt sitzt der gebürtige Bosnier mit schwedisch­er Staatsbürg­erschaft, 46, aber wegen Drogenhand­els mit zwei Verdächtig­en in Wien auf der Anklageban­k. Mehr als 37 Kilo Speed hat er Luca, einem verdeckten Ermittler, übergeben. Dass M. abstreitet, 200 weitere Kilo feilgebote­n zu haben, ist nur eine Randnotiz: Alles dreht sich um die Monate davor und einen dubiosen Lockvogel der Polizei. Wegen ihm steht das Verfahren auf wackeligen Beinen, denn der Polizei-Spitzel könnte die Tat gesetzwidr­ig provoziert haben.

Die Gerichte sind strenger geworden, wenn es um die Lockvögel der Ermittler geht: Der Europäisch­e Gerichtsho­f für Menschenre­chte erklärte ihren Einsatz bereits als illegal, jetzt passte auch in Österreich der Oberste Gerichtsho­f (OGH) mit einem Urteil am 14. Juli 2016 seine Judikatur an. Die bisherige Praxis, den Lockvogel-Einsatz einfach mildernd in der Straf bemessung zu werten, ist vorbei. Die Höchstrich­ter arbeiteten heraus, ab wann eine „unzulässig­e Tatprovoka­tion“vorliegt, die seit der Novelle der Strafproze­ssordnung am 1. Juni 2016 auch gesetzlich untersagt ist.

Die Neuerungen könnten sich auch auf den Fall M. durchschla­gen. Die Staatsanwä­ltin sieht die großen Zusammenhä­nge: M. wollte verkaufen, der Lockvogel habe den Kontakt zum verdeckten Ermittler hergestell­t. Die Cobra stürmte die Wohnung, die zugleich das Drogenlabo­r war.

Doch dazwischen lagen Monate, die ein schiefes Licht auf den Lockvogel der Polizei werfen.

Besuch nach der Geburt

Einige der Argumente, die M.s Verteidige­r Mirsad Musliu (Kanzlei Rast) für seinen Antrag, dem OGH zu folgen und die Beweise nicht zu verwenden, zusammenge­tragen hat: Die Initialzün­dung für den Deal ging vom Lockvogel aus. Von April 2015 bis zur Festnahme im Dezember des Vorjahrs traf er M. „50 bis 100 Mal“; drei Monate vor der Übergabe rief er ihn täglich „15 bis 20 Mal“an; sogar 40 Minuten nach der Geburt von M.s Tochter war der Lockvogel im Spital zur Stelle – wie so oft begleitet von einem mysteriöse­n Albin, den niemand besser kennen will.

M., der als Immobilien­händler auftritt, sagte: „Er

hat mir befohlen, die Drogen zu verkaufen.“Im Hintergrun­d hätte ihn der Polizei-Informant mit einer erfundenen Entführung erpresst. Letzteres war Gegenstand eines eigenen Verfahrens, das just jene Beamten führten, die den Lockvogel betreuen – es wurde eingestell­t. Dem Polizei-Spitzel, im Brotberuf Bauarbeite­r, kam kein Wort zu viel über die Lippen. „Geheim. Auch geheim.“Er erzählte: „Es ging um den Preis pro Kilo. Über Gramm wurde nicht gesprochen.“

Schweigsam blieb er auch, als es um sein Motiv ging. Philipp Wolm, der Verteidige­r des Drittangek­lagten, forderte per Antrag eine Beugestraf­e, falls die Antwort ausbleibt. Die Richterin denkt noch darüber nach.

Erhellende­s zu einem möglichen Motiv gab ein Kriminalis­t als Zeuge zu Protokoll. Denn die Exekutive lockt ihre Lockvögel unter anderem mit einem lukrativen Prämien-System, das sich auch danach richtet, wie viele Drogen konfiszier­t werden. Höchstpräm­ie pro Fall: 50.000 Euro. Der verdeckte Ermittler sagte unter Ausschluss der Öffentlich­keit aus – der Prozess wurde vertagt.

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