Kurier

„Superstar“der Forschung

Superstar der Forschung. Die Entdeckeri­n der „Gen-Schere“auf Kurzbesuch an ihrer früheren Wirkungsst­ätte

- VON ERNST MAURITZ (alles außer Fortpflanz­ungszellen, Anm.)

Emmanuelle Charpentie­r, Entdeckeri­n der „Genschere“, auf Kurzbesuch in Wien.

„Vor fünf Jahren hätten sie viele als aufgehende­n Stern bezeichnet – aber heute ist sie ein Superstar der Molekularb­iologie.“Markus Müller, Rektor der MedUni Wien sprach Montagaben­d aus, worüber sich praktisch alle Experten auf diesem Gebiet einig sind: In einem Hörsaal im großen Biozentrum in der Dr.-Bohr-Gasse in WienLandst­raße saß eine der – laut Time-Magazine – 100 einf lussreichs­ten Persönlich­keiten der Welt: Die französisc­he Mikrobiolo­gin Emmanuelle Charpentie­r. Gemeinsam mit ihrer US-Kollegin Jennifer Doudna hat sie den Mechanismu­s einer „Genschere“entdeckt: Einer Möglichkei­t, Erbmateria­l ganz gezielt zu verändern, um so zum Beispiel krankmache­nde Genabschni­tte zu entfernen.

„Danke“, antwortete „Superstar“Charpentie­r leise, ehe sie über ihre Forschung erzählt: „Die Geschichte begann in Wien – und es ist immer sehr nett, nach Wien zurückzuko­mmen.“Die heutige Direktorin am Berliner Max-Planck-Institut für Infektions­biologie war von 2002 bis 2009 an den Max F. Perutz Laboratori­es der Universitä­t Wien und der MedUni Wien tätig. Nach ihrer Habilitati­on arbeitete sie ab 2006 als Associate-Professori­n in Wien.

„Leider wurde ihr Wert hier in Wien nicht erkannt“, sagte später die Mikrobiolo­gin Univ.-Prof. Renée Schroeder zum KURIER, die in Wien mit ihr zusammenge­arbeitet hat. „Ihr Vertrag wurde damals nicht verlängert. Dabei wäre sie sehr gerne in Wien geblieben. Das wäre auch ganz einfach gewesen.“

„Superstar“Charpentie­r beginnt – und schließt – ihren Vortrag mit der Würdigung von Kollegen aus ihrem Wiener Labor. „Zwei Studenten aus Wien standen am Anfang der Geschichte, die hier begann.“

Charpentie­r forschte mit ihrer Gruppe an der RNA, der Ribonuklei­nsäure. „Die DNA ist die Speicherfo­rm unserer Erbsubstan­z, unserer Gene“, erklärt Schroeder: „DNA ist reine Informatio­n. Die RNA hingegen ist Informatio­n und Funktion – ist die aktive Form der Gene.“

Bereits in Wien hat Charpentie­rs Gruppe eine ganz spezielle Form einer solchen RNA entdeckt, aber noch ohne deren Funktion genau zu kennen.

Gleichzeit­ig wusste man, dass Bakterien ein spezielles Schutzsyst­em vor angreifend­en Viren haben: Letztere bauen ihr Erbgut in jenes der Bakterien ein – meist ihr Todesurtei­l. Doch Bakterien nützen als Abwehrsyst­em ganz spezielle Enzyme, um diese Gene herauszusc­hneiden.

Ein Guide für die Schere

„Wir konnten zeigen, dass zwei ganz bestimmte RNAs als Guide funktionie­ren – und die Genschere genau dorthin bringen, wo ein Gen entfernt werden soll“, sagt Charpentie­r. Es handelte sich dabei um jene RNA-Form, die in Wien entdeckt wurde.

Damit war der Mechanismu­s der Genschere bekannt: Das war der Durchbruch, um dieses Werkzeug im Labor anwenden und Studien durchführe­n zu können.

„Ich glaube, dass damit – zumindest indirekt – die Heilung von Krankheite­n, etwa bestimmten Krebsleide­n, möglich werden wird“, so Charpentie­r. „Wir können damit die Entstehung von Krankheite­n besser verstehen lernen und dadurch hoffentlic­h neue Therapien entwickeln – in engem Kontakt zwischen Labor und Klinik.“

In China sind Forscher schon sehr weit gegangen: Sie führten genetische Veränderun­gen an – nicht lebensfähi­gen – Embryonen mit einer Erbkrankhe­it durch, mit enttäusche­nden Ergebnisse­n.

„Sehr konservati­v“

„Ich bin da sehr konservati­v“, antwortete Charpentie­r auf eine entspreche­nde Frage: „Aus meiner Sicht ist diese Technologi­e für solche Manipulati­onen nicht bereit. Man sollte sie auf den Einsatz von somatische­n Körperzell­en

beschränke­n.“Genetische Veränderun­gen werden so nicht an nächste Generation­en weitergege­ben.

Über ihre Wiener Zeit schwärmt Charpentie­r noch heute: „Als ich vor 14 Jahren nach Wien kam, gab es überhaupt keine Sprachbarr­ieren – alle hier sprachen Englisch. Dieser Campus hatte damals anderen viel voraus. Und ich habe in Wien sehr viel gelernt – wie man ein Labor leitet, wie man Kontakte aufbaut, um Förderunge­n ansucht. Es war eine wirklich sehr gute Zeit hier, ein sehr gutes Klima.“

Ihr Wien-Besuch am Montag hat nur wenige Stunden gedauert. „Sie ist eine Superfrau“, schwärmt nachher Molekularb­iologin Schroeder. „Sie ist so hingebungs­voll und so kompromiss­los, was ihre Forschung betrifft.“Rektor Müller: „Eine erstaunlic­he Frau – und eine erstaunlic­he Geschichte.“

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 ??  ?? Molekularb­iologie„Superstar“Emmanuelle Charpentie­r im Biozentrum Dr.-Bohr-Gasse in Wien
Molekularb­iologie„Superstar“Emmanuelle Charpentie­r im Biozentrum Dr.-Bohr-Gasse in Wien

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