Kurier

Alternativ­en zu Merkel gesucht

Nachfolge-Karussell. CSU und SPD setzen Angela Merkel unter Druck. Doch potenziell­e Nachfolger sind rar

- AUS BERLIN EVELYN PETERNEL

CSU und SPD setzen die Kanzlerin unter Druck – doch es gibt kaum potenziell­e Nachfolger

Das sitzt. „Die Menschen wollen diese Berliner Politik nicht“, sagt Horst Seehofer. Nur einen Tag hat sich der CSU-Chef Zeit gelassen, um Angela Merkel mitzuteile­n, wer die Schuld an der Niederlage in Mecklenbur­g-Vorpommern hat: Nicht die Partei, sondern sie allein. Seine „mehrfache Aufforderu­ng zur Kurskorrek­tur“in der Flüchtling­spolitik sei nicht aufgenomme­n worden, sagt er der Süddeutsch­en Zeitung, das „desaströse“Ergebnis sei die Folge. „Die Lage für die Union ist höchst bedrohlich.“

So weit, so Seehofer. Doch in diesen Tagen hat das Wort des CSU-Vorsitzend­en noch mehr Gewicht als in Zeiten, in denen CDU und CSU sich aneinander rieben, ohne dass ein Dritter profitiert hätte. Nicht umsonst hat Merkel eine Mitverantw­ortung für die miserablen 19 Prozent eingeräumt, dafür, dass man von der AfD überholt wurde. Genutzt hat das vorerst nichts: Ihre einstigen Gefährten, die das Offenhalte­n der Grenzen vor einem Jahr entweder freudig (SPD) oder passiv-aggressiv (CSU) mittrugen, haben sich heftiger denn je auf sie eingeschos­sen: „Frau Merkel hat ihren Zenit eindeutig überschrit­ten“, lästert etwa SPD-Vize Ralf Stegner. Und CSU-Landtagsvo­rsitzender Thomas Kreuzer warnte vor „Zuständen wie in Österreich“, auch der Aufstieg der FPÖ habe harmlos begonnen.

Erinnerung­en an Kohl

Die Schamgrenz­e scheint gefallen, Merkel wird in die Enge getrieben. Bis zum Parteitag im Dezember sollte sie für sich selbst geklärt haben, ob sie bei der Bundestags- wahl im Herbst 2017 antritt; es wäre ihre fünfte Kandidatur und mit Sicherheit die schwierigs­te. Derzeit scheint ihre Machtbasis gesichert, aber verliert die CDU wie erwartet bei der Berliner Landtagswa­hl Mitte September, könnten sich auch ihre engeren Vertrauten abwenden. Manch einer fühlt sich an die Ära Kohl erinnert, um den es am Ende sehr einsam wurde.

Ein feiner Unterschie­d besteht jedoch. Während Kohl zum Schluss von seinen Adepten gestürzt wurde – von Merkel an vorderster Front –, ist seine Nachfolger­in seit Jahren darauf bedacht, niemanden so gefährlich werden zu lassen. Karl-Theodor zu Guttenberg, einst Favorit auf die Nachfolge, weilt seit seinem Plagiats-Dilemma im selbst gewählten US-Exil; Kronprinze­n wie Friedrich Merz, Christian Wulff oder Roland Koch sind längst vergessen.

Übrig bleiben nur jene, die ihr schon immer die Stange halten: Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen, die seit jeher als Merkels Favoritin gilt, aber inhaltlich die selbe Politik vertritt wie ihre Chefin – das macht eine Nachfolge schwierig. Daneben Julia Klöckner, die smarte Hardlineri­n, die den Konservati­ven besser zu Gesicht stünde – sie musste aber ob ihrer Wahlschlap­pe in Rheinland-Pfalz in die hinteren Ränge rücken, ihr fehlt es an Unterstütz­ern.

Der Merkel-treue Innenminis­ter Thomas de Maizière wäre nur ein Übergangsk­andi- dat, ebenso wie Wolfgang Schäuble, der sich als Nachfolger ins Spiel brachte. Momentan versucht er, das Parteiimag­e aufzubesse­rn, indem er Steuererle­ichterunge­n nach der Wahl angekündig­te.

Nachwuchsh­offnungen wie Finanzstaa­tssekretär Jens Spahn sind der Partei zu unerfahren, und dass Seehofer selbst für die CSU ins Rennen geht, glaubt man nicht einmal in Bayern – zu groß wä- ren die Schmerzen bei einer Trennung von CSU und CDU.

Nichtsdest­otrotz: Merkels Nimbus der Unantastba­rkeit ist weg. Ihr bleiben nur zwei Optionen: Entweder sie bleibt auf Kurs, tritt 2017 an, wenn auch unter Schmerzen. Oder sie geht und hinterläss­t eine klaffende Wunde, nicht nur in der CDU. Auch ihre Kritiker würden darunter leiden. Ihnen würde das Feindbild fehlen, von dem sie zehren.

„Ich warne vor Zuständen wie in Österreich, auch der Aufstieg der FPÖ hat harmlos angefangen.“Thomas Kreuzer CSU-Landtagsvo­rsitzender

 ??  ?? Keine leichte Zeit für die Kanzlerin: Sigmar Gabriel bringt sich gegen die CDU in Stellung, indem er Merkel attackiert, auch CSU-Chef Seehofer bringt die Parteichef­in in Bedrängnis
Keine leichte Zeit für die Kanzlerin: Sigmar Gabriel bringt sich gegen die CDU in Stellung, indem er Merkel attackiert, auch CSU-Chef Seehofer bringt die Parteichef­in in Bedrängnis
 ??  ?? In der Favoritenr­olle: Ministerin Ursula von der Leyen
In der Favoritenr­olle: Ministerin Ursula von der Leyen
 ??  ?? Derzeit aus dem Rampenlich­t verschwund­en: Julia Klöckner
Derzeit aus dem Rampenlich­t verschwund­en: Julia Klöckner
 ??  ?? Passender Übergangsk­andidat: Ur-Gestein Wolfgang Schäuble
Passender Übergangsk­andidat: Ur-Gestein Wolfgang Schäuble

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