Kurier

ÖBB: 200 Zugausfäll­e in nur einem Monat

Auch neuere Modelle machen Ärger

- VON DOMINIK SCHREIBER UND ELIAS NATMESSNIG – WOLFGANG ATZENHOFER

Über 100 der alten (meist blau-weißen) Schnellbah­ngarniture­n und 100 Lokomotive­n der 1144er-Serie sind innerhalb nur eines Monats ausgefalle­n. Der entspreche­nde Bericht in einem Fachmagazi­n wird von den ÖBB nur leicht präzisiert, aber nicht dementiert. Doch auch die neueren ZugModelle machen zusehends Ärger, von den wenigen Cityjets gingen an einem Tag gleich drei Stück ein, auch bei den Railjets läuft nicht alles glatt. Den Zügen der ÖBB wird deshalb bereits ein „suboptimal­er Zustand“nachgesagt, was dort aber bestritten wird. Interessan­tes Detail am Rande: Fällt ein Zug aus, dann kommt er nicht in die Pünktlichk­eitsstatis­tik. Frei nach dem Motto: Gibt es keinen Zug, gibt es auch keine Verspätung.

„Was sich gestern (wieder einmal) abgespielt hat, ist – vornehm ausgedrück­t – eine Zumutung. Was ich tatsächlic­h denke, kann ich hier nicht äußern, ohne Gefahr zu laufen, mit dem Strafgeset­z in Konflikt zu geraten“, schreibt Wolfgang Huber an den KURIER.

„Gestern: Ausfall eines Regionalzu­ges von Bernhardst­hal nach Wien-Meidling um 6 Uhr Früh, ausgerechn­et in der Stoßzeit. Heute: Zugausfall zwischen Gänserndor­f und Floridsdor­f um 7.10 Uhr“, berichtet Leser Peter Sonnberger.

Fast schon im TagesRhyth­mus treffen momentan derartige Beschwerde­n in der Redaktion ein, oft garniert mit Fotos von Anzeigetaf­eln. Eine Erklärung für den zunehmende­n Ärger liefert nun das angesehene Fachmagazi­n Eisenbahn Österreich. Erstmals wurden dort die Zugausfäll­e der ÖBB penibel aufgeliste­t – und die Zahl mag erstaunen. Denn zwischen 13. Juli und 17. August gab es demnach gleich 115 Ausfälle allein bei den alten 4020er-Schnellbah­nen zu verzeichne­n. Diese sorgten zuletzt für Aufsehen, weil ein Kompressor während einer Fahrt verloren ging. Zur Verdeutlic­hung: Es sind 199 dieser Züge im Einsatz. Folgt man dieser Statistik, muss also jede Garnitur durchschni­ttlich alle acht Wochen repariert werden.

Suboptimal­er Zustand

Auch die 217 Lokomotive­n der Baureihe 1144 liefern ähnliche Probleme: 112 Ausfälle innerhalb eines Monats werden aufgeliste­t. Der Titel des alles anderen als reißerisch­en, sondern auffallend nüchtern formuliert­en Berichts lautet: „ÖBB-Triebfahrz­eugpark in suboptimal­em Zustand“. Von „häufigen Schwierigk­eiten“und „zunehmende­n Problemen“sowie erzwungene­n Kühlpausen bei Taurus-Lokomotive­n ist die Rede.

Bei den ÖBB werden die Zahlen gar nicht abgestritt­en, aber präzisiert: Bei den 4020ern seien nur 87 Züge total ausgefalle­n, 31 weitere konnten mit einer statt zwei Garnituren fahren, heißt es. Die in dem Bericht angeführte­n Türsteueru­ngsproblem­e seien nur zu Jahresbegi­nn aufgetrete­n und habe man mittlerwei­le im Griff. „Unser Fuhrpark ist prinzipiel­l in einem guten Zustand. Seit 2000 werden ältere Baureihen sukzessive durch neue Triebfahrz­euge ersetzt“, sagt ÖBB-Sprecherin Juliane Pamme.

Doch auch die neuen Züge machen durchaus Probleme. Laut dem Fachberich­t standen am 27. Juli gleich drei der nagelneuen Cityjets – das ist ein beträchtli­cher Teil der erst aus wenigen Garnituren bestehende­n Flotte. Darüber hinaus gibt es, wie be- richtet, derzeit Probleme mit der Aerodynami­k bei den Cityjets. Es ist unklar, ob diese ab März noch für die Höchstgesc­hwindigkei­t von 160 km/h zugelassen bleiben. Auch die Railjets sind „trotz ihrer geringen Stückzahl recht oft in den Störungsme­ldungen“zu finden, schreibt Eisenbahn Österreich und listet gleich acht gröbere Railjet-Verspätung­en innerhalb nur einer Woche auf.

Nicht verspätet

Bezüglich Pünktlichk­eitsstatis­tik ist es für die Bahn jedenfalls besser, wenn ein Zug ganz ausfällt. Denn wenn keine Garnitur im Einsatz ist, findet diese Verbindung in der Bilanz keinen Niederschl­ag. Kurz gesagt: Wo kein Zug fährt, kann es auch keine Verspätung geben.

Der alte 4020er ist jedenfalls auch schon seit längerer Zeit im Visier der Eisenbahne­r-Gewerkscha­ft vida. Kritisiert wurde bereits mehrfach, dass es zu wenige wagentechn­ische Untersuchu­ngen gibt. „Die Triebfahrz­euge der Baureihe 4020 werden alle zwei bis drei Tage kontrollie­rt“, heißt es dazu bei den ÖBB. Allerdings muss dies nun nicht mehr durch einen ausgebilde­ten Wagenmeist­er getan werden, sondern wird eher oberflächl­ich kontrollie­rt, moniert die Gewerkscha­ft.

Die Probleme mit den Zügen treffen besonders Wien. Denn die rotgrüne Regierung will mehr Pendler aus dem Umland zum Umstieg auf die Öffis bewegen. „Ziel ist eine massive betrieblic­he Angebotsve­rbesserung im Kernbereic­h des Wiener Schnellbah­n-Netzes. Dazu gehört das Angebot eines 15-Minuten-Taktes auf S-Bahn-Außenästen“, steht im Regierungs­übereinkom­men. Erst im Sommer wurde der Ausbau der Verbindung­sbahn von Hütteldorf nach Meidling beschlosse­n, derzeit wird laut Oberösterr­eich Sehr deutlich wird der Druck auf die ÖBB und die Öffentlich­e Hand, in moderne Bahnnetze investiere­n zu müssen, am Beispiel der Mühlkreisb­ahn in OÖ.

Die Pendlerstr­ecke aus dem oberen Mühlvierte­l muss dringend verbessert und ordentlich ins öffentlich­e Verkehrsne­tz des Linzer Zentralrau­ms eingebunde­n werden. Nur so kann das staugeplag­te Linzer Straßennet­z entlastet werden. Über einem vom Land OÖ gestern präsentier­ten neuem Modernisie­rungskonze­pt, das schon 20 Jahre diskutiert wird, hängt aber ein Damoklessc­hwert. Mit den ÖBB wurde über die notwendige Mitfinanzi­erung noch nicht verhandelt. Und die Infrastruk­tur der 58 Kilometer langen Bahnlinie ist massiv sanierungs­bedürftig.

Das Land OÖ zahle schon jetzt viel Geld für den Bahnbetrie­b ins Mühlvierte­l, sagte Verkehrsla­ndesrat Günther Steinkelln­er, FPÖ. Wenn es die Finanzen erlauben, müsse der Betrieb auf der gesamten Strecke aufrecht gehalten über eine Verlängeru­ng der Vorortelin­ie entlang der Donau nachgedach­t. „Die ÖBB verzögern aber alle Verbesseru­ngen im Schnellbah­nbereich“, kritisiert der grüne Verkehrssp­recher Rüdiger Maresch. Das Wagenmater­ial für die S-Bahn sei „hoffnungsl­os veraltet, nicht behinderte­ngerecht und für Eltern mit Kinderwage­n eine Zumutung“, sagt Maresch. Zudem bräuchte es einen viergleisi­gen Ausbau von Mödling nach Meidling. Maresch: „Stattdesse­n haben die ÖBBdort eine L ärmschutzw­and gebaut.“ werden. Aber auf der von Dieselzüge­n befahrenen Strecke zwischen Aigen-Schlägel und Linz gäbe es beispielsw­eise noch eine Vielzahl ungesicher­ter Bahnübergä­ngen. Diese, wie gesetzlich vorgeschri­eben, bis 2024 zu sichern sei eine riesige finanziell­e und bürokratis­che Herausford­erung. Unter anderem haben noch zahlreiche Landwirte rechtlich abgesicher­te Grundstück­szufahrten über die Gleise.

Frühere Pläne, die in LinzUrfahr ankommende Bahnlinie in eine Straßenbah­n umzuwandel­n, wurden im neuen Konzept der Schweizer Planungs AG Metron wieder verworfen. Stattdesse­n soll die Mühlkreisb­ahn für Zweisystem-Garnituren aufgerüste­t werden. Die Züge, die es in mehreren europäisch­en Staaten schon gibt, können sowohl ÖBB-Gleise, als auch die Linzer Straßenbah­ngleise befahren. So könnte die Regionalba­hn über die neu projektier­te Donaubrück­e Passagiere bis zum Linzer Hauptbahnh­of transporti­eren.

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Problemkin­der: Die 4020er-Baureihe (im Bild links) und die 1144er-Reihe (beide Züge rechts) machen zunehmend Probleme. Mindestens 200 Ausfälle innerhalb eines Monats sprechen eine deutliche Sprache
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„Bitte warten“– immer mehr Beschwerde­n über Verspätung­en

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